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Essay Star Trek: The Next Generation

Türen und Einsamkeit – TNG 7.25 + 7.26 – All Good Things…

Das Entscheidende ist die letzte Szene, wenn sich Picard nach neunzig Minuten Zeitreise-Abenteuer zum Pokerspiel seiner Besatzung gesellt. Er setzt sich nicht einfach dazu und spielt mit, sondern er bittet erst mal an der Tür um Einlass.

Das Einlass-Ritual um die automatischen Schiebetüren ist eines der Star Trek-Elemente, über die man ein Buch schreiben könnte. Wahrscheinlich wäre ich der einzige Leser. In Star Trek funktioniert das Reinkommen in einen Raum so: Die draußen seiende Person muss an der Tür auf einen Knopf drücken, um um Einlass zu bitten. Die sich drinnen befindende Person hört dann einen Darf-ich-reinkommen-Ton und antwortet mit einem Wort wie „Herein“. Darauf öffnet sich die Tür. Diese Situation kennt zwei Zustände: Offen und Zu. Mechanische manuell zu öffnende Türen kennen unzählige weitere Zustände. Sie können weit offen stehen, halb offen, einen Spalt breit offen und alles Mögliche dazwischen und jeder dieser Offenheits-Grade kommuniziert den sich draußen befindenden Personen etwas anderes. Auf manuellen Türen können Sticker kleben, die zeigen, wer in diesem Zimmer wohnt. Schilder an der Türklinke können Botschaften an die vermitteln, die an der Tür vorbeigehen. Unter manchen Türen kann man Briefe durchschieben. Manuelle Türen erfüllen nicht nur die rudimentäre Funktion einer Tür, sondern können auch Kommunikationsmedien und Ausdruck von Persönlichkeit sein. Diese Nuancen gibt es bei den automatischen Star Trek-Schiebetüren nicht: Hier heißt es entweder Ja oder Nein, Offen oder Zu, Null oder Eins.

Wie sich die binäre Logik, die das Besuchen und Empfangen auf der Enterprise strukturiert, auf soziale Strukturen auswirkt, wäre Thema eines sozialwissenschaftlichen Buches mit Star Trek als Anschauungs-Objekt. Die Smart-Türen sollen die zwischenmenschlichen Feinheiten beim Betreten eines Zimmers vereinfachen, aber eigentlich verkomplizieren sie sie. Allein schon, weil die Person, die sich drinnen befindet, nie weiß, wer da eigentlich gerade vor der Tür steht und rein will. In sieben Staffeln Star Trek: The Next Generation (178 Folgen über jede einzelne habe ich geschrieben, überwiegend belanglosen Kram) wird keine einzige Einlass-Bitte mit einem „Nein“ beantwortet. Manchmal blökt Picard ein „Not now!“, doch dann drückt die draußen stehende Person so lange den Darf-ich-reinkommen-Knopf, bis Picard so genervt ist, dass er die Person doch herein lässt. Trotz strikter und einfach wirkender Grenzen und einem technisch ausgeklügelten Türöffnungs-Ritual scheint es sehr schwierig zu sein, auf einem Föderations-Raumschiff seine Ruhe zu haben.

Jedenfalls: Die letzte Szene: Picard bittet um Einlass. Commander Riker, Commander Data, Commander La Forge, Lieutenant Worf, Doktor Crusher und Commander/Counselor Troi lassen ihn rein. Zuerst sind sie alarmiert und glauben, es gäbe ein Problem. Doch Picard fragt nur verschüchtert, ob er mitspielen darf. Sie rücken zusammen und ziehen einen Stuhl für ihn heran. Picard schaut in die Runde und sagt: „I should have done this a long time ago.“ Die ganzen sieben Staffeln lang war er ein extrem respektierter Captain, bei seiner Crew, seinen Vorgesetzten und seinen Feinden. Aber er war auch immer distanziert und allein. Jetzt spielt er zum ersten Mal mit den anderen Poker und begibt sich mit ihnen auf eine freundschaftliche Ebene.

Darauf folgt der wichtigste Moment in dieser Szene. Troi sagt: „You’re always welcome.“ Dieser Satz ist für Picard und fürs Publikum. Die Utopie von Star Trek, insbesondere die von The Next Generation, dreht sich nicht so sehr um politische Dinge, wie zum Beispiel, dass die Menschen gelernt haben, ohne Geld auszukommen. Die Utopie von Star Trek liegt viel mehr in der Vorstellung, dass es da diesen Kreis aus Leuten gibt, die immer bedingungslos deine Freunde sind und die dich nie verraten und die dich immer willkommen heißen. Deshalb schauen Star Trek-Fans diese Serien auch Jahrzehnte später immer wieder komplett an und quälen sich durch viele mittelmäßige Folgen. Star Trek-Fans wissen, dass das echte Leben durch Macht- und Gewaltverhältnissen strukturiert ist. Dagegen sind tiefe Vetrauensverhältnisse wie die in The Next Generation (in jeder Folge vetrauen die Figuren einander ihr Leben an) extrem selten.

Der Weltraum, wie er im Intro der Serie abgebildet wird, ist der Inbegriff von Einsamkeit, denn die bunten Sterne, Planeten, Nebel und kosmischen Phänomene interessieren sich nicht für uns. Im Weltraum ist es einsam. Die Utopie von Star Trek besteht in der radikalen Ablehnung dieser Einsamkeit.

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TNG 7.21 – Firstborn

Worf trichtert mal wieder seinem Sohn Alexander Klingonenweisheiten ein, doch am Ende lernt er, dass er Alexander Raum geben muss. Ein aus dem Nichts kommender Zeitreisetwist gibt der Folge immerhin einen Hauch von Albernheit (der Klingone, der Alexander trainiert, ist in Wahrheit Alexander selbst aus der Zukunft). Folgen wie diese, routiniert inszeniert und mit Moral am Ende, sind ein gutes Beispiel für die Verkitschung und Trivialisierung der Gefühle im Fernsehen. Wir sind bei Folge 173. Die Crew inszeniert im Schlaf, ohne Ideen, ohne Zufälle.

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TNG 7.18 – Eye of the Beholder

Ein Lieutenant begeht Selbstmord, indem er in einen Laser springt. Troi und Worf sollen ermitteln. Sie finden heraus, dass der Lieutenant keinen Grund hatte, sich umzubringen und Troi bekommt gruselige Flashbacks, wenn sie in die Nähe des Lasers kommt. Stellt sich raus, dass beim Bau der Enterprise ein Edgar Allan Poe-artiger Mord geschah (Skelett in Wand), der vom telepathisch begabten Mörder vertuscht wurde. Wichtig ist an dieser Folge, dass Worf und Troi sich näher kommen. Worf küsst sie am nächsten Morgen wach und hat Frühstück für sie gemacht, ein richtiger Schmusi. Schade, dass Troi nach ihrer Beförderung zum Commander in Thine Own Self nicht als Commander angesprochen wird, sondern immer noch als Counselor.

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TNG 7.15 – Lower Decks

In dieser Folge spielen vier untere Offiziere die Hauptrollen. Das sind der Mensch Sam, die Bajoranerin Sito, der Vulkanier Taurik und die immer lächelnde Alyssa, Doktor Crushers langjährige Assistentin. Die vier sind befreundet, stehen aber in Konkurrenz um eine Beförderung. Aus ihrer Sicht wirken die Hauptfiguren der Serie wie furchtbare Vorgesetzte. Auf ein „Aye aye, Sir!“ fährt Riker Sam an, er solle nur ein mal Aye sagen. Und Picard macht Sito wegen ihres Charakters runter (was sich später aber als total weise Art des Mentorings herausstellt).

Gut ist die Beziehung zwischen Sito und Worf. Worf bringt ihr wichtige Weisheiten bei. Als Sito auf eine Spezialmission aufbricht, bei der sie mit einem Shuttle in cardassianisches Gebiet fliegen muss, verabschiedet Worf sie und steht noch eine Weile am Shuttle-Dock und schaut ihr nach.

Sito ist auch der tragische Kern der Folge. Sie war in The First Duty eine der Kadetten, die zusammen mit anderen Kadetten ein verbotenes Flugmanöver versuchten, wodurch ein Mitkadett starb. Interessante Szene ist eine Parallelmontage beim Pokern. Die höheren und die unteren Offiziere spielen gleichzeitig Poker. Dabei wird ständig zwischen den Szenen hin und her geschnitten.

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TNG 7.11 – Parallels

Frisch aus dem Urlaub stellt Worf fest, dass sich die Dinge um ihn herum ständig ändern. Manchmal sind es kleine Dinge, wie Bilder, die plötzlich woanders hängen, oder Gegenstände, die plötzlich woanders stehen. Mal sind es größere Dinge, wie dass Counselor Troi plötzlich Worfs Ehefrau ist, oder dass Worf plötzlich erster Offizier ist und Riker der Captain, weil Picard damals in The Best of Both Worlds nicht von den Borg gerettet werden konnte. Bevor Worf herausfindet, dass er in schnellem Takt von einem Paralleluniversum ins nächste springt, zweifelt er an seinem Verstand.

Das finde ich den interessantesten Aspekt an dieser Folge: dass Worf in eine Position geworfen wird, die ihn an sich selbst zweifeln lässt. Die Veränderungen in den Paralleldimensionen sind teilweise so klein, dass er sich nicht sicher sein kann, ob sie überhaupt stattgefunden haben. Worf erlebt eine ähnliche Verwirrung, wie sie Gaslighting-Opfer erleben, die in der Filmgeschichte überwiegend von Frauen gespielt wurden. Ausnahmen sind, neben Worf in Parallels, George C. Scott im Spuk-Horrorfilm The Changeling (1980) oder Adrien Rawlins/Daniel Radcliffe in The Woman In Black (1989/2012).

Parallels ist auch eine Fan-Folge, da sich die verschiedenen Paralleldimensionen oft auf vergangene Serien-Momente beziehen, wie zum Beispiel den Kampf gegen die Borg. Wenn am Ende tausende von Enterprise-Raumschiffe in derselben Dimension auftauchen, entsteht ein riesiges intertextuelles Netzwerk, ein Bilderbuch früherer Staffeln. Und es ist schön, Worf und Troi einander näher kommen zu sehen.

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TNG 7.5 – Gambit, Part 2

Weiterhin kommandiert Data das Schiff und bestellt Worf in den Ready Room. Worf hat nämlich Datas Anweisungen vor versammelter Brückencrew in Frage gestellt. Es ist niedlich, wie die Beiden den Konflikt lösen und sich gegenseitig ihre Freundschaft versichern. Ansonsten sieht man Worf hier mal wieder lächeln. Und es gibt eine Psychowaffe, gegen die man sich wehren kann, indem man den Kopf von bösen Gedanken befreit (was bei der Sternenflottencrew natürlich perfekt funktioniert, denn da hat niemand böse Gedanken) und einen Bösi, der sich am Ende doch nur als unfreiwilliger Lakai des echten Bösis heraus stellt.

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TNG 7.4 – Gambit, Part 1

Picard ist tot und die Enterprise ermittelt. Natürlich stellt sich heraus, dass Picard doch nicht tot ist. Das Beste an der Folge ist, dass neben Picard auch Riker irgendwann die Enterprise verlassen muss, sodass Data der Captain wird und Worf der erste Offizier. Data beweist sich als ziemlich perfekter und entschiedener Captain, der die Enterprise auch allein führen könnte. Bei einer Besprechung im Konferenzraum erteilt er Befehle, sagt Dismissed und nimmt dann die typische Picard-hat-gesprochen-Pose ein, Hände zusammen gefaltet und ins Leere starrend. Er parodiert damit schön die Sinnlosigkeit dieser Geste.

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TNG 7.2 – Liasons

Die Enterprise-Crew soll kulturellen Austausch mit den Eyaranern treiben. Hierzu kommen zwei Eyaraner an Bord. Troi und Worf sollen sie betreuen. Worf hasst Diplomatie und sein zu betreuender Eyaraner provoziert ihn ständig, was schließlich zur Prügelei führt. Trois Eyaraner will die ganze Zeit nur Süßigkeiten essen. Währenddessen fliegt Picard zusammen mit einem Eyaraner zu deren Heimatplaneten. Auf dem Weg stürzen sie auf einem anderen Planeten ab, wo eine zwielichtige Frau Picard gefangen hält, Gaslighting an ihm durchführt und versucht, ihn zu vergewaltigen. Wie sich schließlich herausstellt, ist in dieser Situation in einem doppelten Sinn nichts wie es scheint. Eine schön vignettenhafte Folge.

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TNG 6.23 – Rightful Heir

Eine weitere Klingonenfolge, in der Worf mal wieder die Schlüsselfigur in den Machtspielen der Klingonen ist. Ich bin dabei eingeschlafen und möchte daher die Gelegenheit nutzen, über die Musik von The Next Generation zu sprechen.

Die Musik der ersten drei bis vier Staffeln war stark geprägt von Ron Jones. Jones schrieb seine Kompositionen melodiös und thematisch. Hin und wieder baute er Referenzen an andere Filmscores ein (zum Beispiel an die Echo-Percussions aus Alien), womit er die Serie ein wenig aus der Zukunft holte und sie in der Filmgeschichte verortete. Seine Musik war spaßig und launig, vermischte elektronische und orchestrale Musik und war getrieben von den Charakteren und den situativen Stimmungen. Jones’ Ansatz wurde im Lauf der vierten Staffel immer stärker getilgt. Melodien verschwanden immer mehr. Ron Jones’ letzte Scoring-Arbeit im Star Trek-Franchise war Data’s Day. Hier sind Beispiele für Ron Jones-Stücke: Ein myteriöses und abenteuerliches Stück aus Where No One Has Gone Before. Und dieser schöne Abgesang auf Tasha Yar aus Skin of Evil.

Nach Ron Jones komponierten vor allem Jay Chattaway und Dennis McCarthy. Spätestens ab der fünften Staffel war die Musik meist eine seltsame weiche Masse. Ich kann mich an keine wirkliche Melodie erinnern. Es sind nur noch Streicher und Bläser, die mit möglichst wenig Widerstand zum einen Ohr rein driften und zum anderen wieder raus, wie Beruhigungs- oder Einschlafmusik. Diese Musik unterstreicht und steigert im besten Fall Stimmungen (vor allem in den Horrorfolgen, zum Beispiel in Phantasms), aber meistens schwächt sie die Szenen, an denen sie klebt und es wäre besser, sie einfach wegzulassen. Die positivste Art, diese Musik zu betrachten, wäre wohl als musikalische Entsprechung des gleichgültigen Weltalls. Sie ist einfach nur da und umhüllt die Serie wie einen Watteball. Ich verstehe nicht, warum die Produzenten solche Musik wollten. Den Komponisten sollte man jedenfalls keinen Vorwurf machen. Sie gaben sicher ihr Bestes, die Musik möglichst wenig langweilig zu machen. Ich wünsche mir eine tiefgehende Analyse dieser seltsamen Scores von einem Musikkundler. Da diese Scores offenbar niemandem sonderlich im Gedächtnis geblieben sind, finden sich auch kaum Beispiele auf Youtube, aber hier ist eins von John Debney.

Eine Ausnahme bildet natürlich das Flötenstück in The Inner Light, das in Lessons noch weiter ausgearbeitet wurde, komponiert von Jay Chattaway. Es ist ein schönes Stück, das sicher viele junge Menschen zum Flötenspielen gebracht hat. Aber es ist Teil des filmischen Universums, wie auch die vielen klassischen Stücke, über die die Figuren (vor allem Picard und Data) immer wieder sprechen.

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TNG 6.17 – Birtright, Part 2

Die Fortsetzung von Birtright, Part 1 fokussiert sich allein auf Worf und seine Bemühungen, die Klingonen, die mit den Romulanern zusammen leben, zu ihren Wurzeln zurück zu führen, damit sie sich selbst wieder als Krieger sehen, deren größte Freude es ist, in Ehre zu sterben. Das Problem dieser Doppelfolge bleibt ihr schlafwandlerisches Tempo. Allerdings schaffte es die Folge erstmals, mich ein wenig für die klingonische Mythologie zu interessieren. Das ist immer ein Problem an Klingonenfolgen, dass die martialischen Bräuche der Klingonen so beliebig wirken.