F. Murray Abraham als Bösewicht. Er will ewige Jugend und will dafür einen Planeten ausbeuten, der Ewiges-Leben-Partikel abstrahlt (oder so ähnlich). Dazu will er die Bevölkerung des Planeten ohne ihr Wissen in ein Holodeck umsiedeln und dort einsperren, und zwar mit Unterstützung eines bösen Sternenflotten-Admirals, dessen Lakaienstatus man sofort an seiner hochgezogenen Augenbraue erkennt. Picard und Crew stellen sich natürlich dagegen, legen ihre Sternenflottenabzeichen ab und starten den titelgebenden Aufstand. Wenn alles andere scheitert, ist es immer gut, F. Murray Abraham zuzusehen. Leider ist seine Rolle in Star Trek: Insurrection dermaßen farblos (er steht eigentlich immer nur herum), dass Abrahams genussvolle Boshaftigkeit in ihr nicht recht leuchten kann. Am besten sind die müden Fan-Gag-Momente, die zeigen, wie die Crew im Alltag miteinander umgeht. Riker hat sich zum Bsiepiel den Bart abrasiert, damit Troi ihn küsst, streicht sich vor Data über sein glattes Gesicht und sagt: Smooth as an android’s butt. Data prüft das und schüttelt schmunzelnd den Kopf. Ich hätte gern einen TNG-Film gesehen, der einfach nur Alltagsmomente des Ensembles zeigt, gedreht von Robert Altman.
Tag: Troi
Das Entscheidende ist die letzte Szene, wenn sich Picard nach neunzig Minuten Zeitreise-Abenteuer zum Pokerspiel seiner Besatzung gesellt. Er setzt sich nicht einfach dazu und spielt mit, sondern er bittet erst mal an der Tür um Einlass.
Das Einlass-Ritual um die automatischen Schiebetüren ist eines der Star Trek-Elemente, über die man ein Buch schreiben könnte. Wahrscheinlich wäre ich der einzige Leser. In Star Trek funktioniert das Reinkommen in einen Raum so: Die draußen seiende Person muss an der Tür auf einen Knopf drücken, um um Einlass zu bitten. Die sich drinnen befindende Person hört dann einen Darf-ich-reinkommen-Ton und antwortet mit einem Wort wie „Herein“. Darauf öffnet sich die Tür. Diese Situation kennt zwei Zustände: Offen und Zu. Mechanische manuell zu öffnende Türen kennen unzählige weitere Zustände. Sie können weit offen stehen, halb offen, einen Spalt breit offen und alles Mögliche dazwischen und jeder dieser Offenheits-Grade kommuniziert den sich draußen befindenden Personen etwas anderes. Auf manuellen Türen können Sticker kleben, die zeigen, wer in diesem Zimmer wohnt. Schilder an der Türklinke können Botschaften an die vermitteln, die an der Tür vorbeigehen. Unter manchen Türen kann man Briefe durchschieben. Manuelle Türen erfüllen nicht nur die rudimentäre Funktion einer Tür, sondern können auch Kommunikationsmedien und Ausdruck von Persönlichkeit sein. Diese Nuancen gibt es bei den automatischen Star Trek-Schiebetüren nicht: Hier heißt es entweder Ja oder Nein, Offen oder Zu, Null oder Eins.
Wie sich die binäre Logik, die das Besuchen und Empfangen auf der Enterprise strukturiert, auf soziale Strukturen auswirkt, wäre Thema eines sozialwissenschaftlichen Buches mit Star Trek als Anschauungs-Objekt. Die Smart-Türen sollen die zwischenmenschlichen Feinheiten beim Betreten eines Zimmers vereinfachen, aber eigentlich verkomplizieren sie sie. Allein schon, weil die Person, die sich drinnen befindet, nie weiß, wer da eigentlich gerade vor der Tür steht und rein will. In sieben Staffeln Star Trek: The Next Generation (178 Folgen über jede einzelne habe ich geschrieben, überwiegend belanglosen Kram) wird keine einzige Einlass-Bitte mit einem „Nein“ beantwortet. Manchmal blökt Picard ein „Not now!“, doch dann drückt die draußen stehende Person so lange den Darf-ich-reinkommen-Knopf, bis Picard so genervt ist, dass er die Person doch herein lässt. Trotz strikter und einfach wirkender Grenzen und einem technisch ausgeklügelten Türöffnungs-Ritual scheint es sehr schwierig zu sein, auf einem Föderations-Raumschiff seine Ruhe zu haben.
Jedenfalls: Die letzte Szene: Picard bittet um Einlass. Commander Riker, Commander Data, Commander La Forge, Lieutenant Worf, Doktor Crusher und Commander/Counselor Troi lassen ihn rein. Zuerst sind sie alarmiert und glauben, es gäbe ein Problem. Doch Picard fragt nur verschüchtert, ob er mitspielen darf. Sie rücken zusammen und ziehen einen Stuhl für ihn heran. Picard schaut in die Runde und sagt: „I should have done this a long time ago.“ Die ganzen sieben Staffeln lang war er ein extrem respektierter Captain, bei seiner Crew, seinen Vorgesetzten und seinen Feinden. Aber er war auch immer distanziert und allein. Jetzt spielt er zum ersten Mal mit den anderen Poker und begibt sich mit ihnen auf eine freundschaftliche Ebene.
Darauf folgt der wichtigste Moment in dieser Szene. Troi sagt: „You’re always welcome.“ Dieser Satz ist für Picard und fürs Publikum. Die Utopie von Star Trek, insbesondere die von The Next Generation, dreht sich nicht so sehr um politische Dinge, wie zum Beispiel, dass die Menschen gelernt haben, ohne Geld auszukommen. Die Utopie von Star Trek liegt viel mehr in der Vorstellung, dass es da diesen Kreis aus Leuten gibt, die immer bedingungslos deine Freunde sind und die dich nie verraten und die dich immer willkommen heißen. Deshalb schauen Star Trek-Fans diese Serien auch Jahrzehnte später immer wieder komplett an und quälen sich durch viele mittelmäßige Folgen. Star Trek-Fans wissen, dass das echte Leben durch Macht- und Gewaltverhältnissen strukturiert ist. Dagegen sind tiefe Vetrauensverhältnisse wie die in The Next Generation (in jeder Folge vetrauen die Figuren einander ihr Leben an) extrem selten.
Der Weltraum, wie er im Intro der Serie abgebildet wird, ist der Inbegriff von Einsamkeit, denn die bunten Sterne, Planeten, Nebel und kosmischen Phänomene interessieren sich nicht für uns. Im Weltraum ist es einsam. Die Utopie von Star Trek besteht in der radikalen Ablehnung dieser Einsamkeit.
Ein Lieutenant begeht Selbstmord, indem er in einen Laser springt. Troi und Worf sollen ermitteln. Sie finden heraus, dass der Lieutenant keinen Grund hatte, sich umzubringen und Troi bekommt gruselige Flashbacks, wenn sie in die Nähe des Lasers kommt. Stellt sich raus, dass beim Bau der Enterprise ein Edgar Allan Poe-artiger Mord geschah (Skelett in Wand), der vom telepathisch begabten Mörder vertuscht wurde. Wichtig ist an dieser Folge, dass Worf und Troi sich näher kommen. Worf küsst sie am nächsten Morgen wach und hat Frühstück für sie gemacht, ein richtiger Schmusi. Schade, dass Troi nach ihrer Beförderung zum Commander in Thine Own Self nicht als Commander angesprochen wird, sondern immer noch als Counselor.
Data landet in einem Dorf, das technisch noch im Mittelalter steckt. Seine Uniform ist zerrissen, er hat sein Gedächtnis verloren, weiß nicht, wer er ist und woher er kommt. Die Dorfbewohner halten ihn für einen Iceman aus den Bergen. Er hat einen Koffer dabei. Auf dem Koffer steht in roter Warnschrift das Wort Radioactive. Die Dorfbewohner wissen nicht, was das bedeutet. Data weiß es auch nicht. Sie öffnen den Koffer und holen hübsche glänzende Steine heraus und verteilen und verkaufen sie im Dorf. Nach und nach werden die Menschen des Dorfes krank. Data, der nach wie vor über seine kognitiven Fähigkeiten verfügt, versucht die Ursache der Krankheit zu finden und erarbeitet sich methodisch das Wissen, um die Ursache der Krankheit zu finden und die Bewohner zu heilen. Es ist eine gut erzählte Geschichte. Ein Mädchen hilft ihm dabei, während sie selbst strahlenkrank wird, gespielt von Kimberly Cullum, sehr gute Jungdarstellerin, die Anfang der Neunziger in anderen Serien und auch in ein paar Filmen war. Währenddessen lässt sich Troi auf der Enterprise zum Commander befördern. Um den großen Commandertest bestehen zu können, erteilt Riker ihr eine weise Lektion.
Frisch aus dem Urlaub stellt Worf fest, dass sich die Dinge um ihn herum ständig ändern. Manchmal sind es kleine Dinge, wie Bilder, die plötzlich woanders hängen, oder Gegenstände, die plötzlich woanders stehen. Mal sind es größere Dinge, wie dass Counselor Troi plötzlich Worfs Ehefrau ist, oder dass Worf plötzlich erster Offizier ist und Riker der Captain, weil Picard damals in The Best of Both Worlds nicht von den Borg gerettet werden konnte. Bevor Worf herausfindet, dass er in schnellem Takt von einem Paralleluniversum ins nächste springt, zweifelt er an seinem Verstand.
Das finde ich den interessantesten Aspekt an dieser Folge: dass Worf in eine Position geworfen wird, die ihn an sich selbst zweifeln lässt. Die Veränderungen in den Paralleldimensionen sind teilweise so klein, dass er sich nicht sicher sein kann, ob sie überhaupt stattgefunden haben. Worf erlebt eine ähnliche Verwirrung, wie sie Gaslighting-Opfer erleben, die in der Filmgeschichte überwiegend von Frauen gespielt wurden. Ausnahmen sind, neben Worf in Parallels, George C. Scott im Spuk-Horrorfilm The Changeling (1980) oder Adrien Rawlins/Daniel Radcliffe in The Woman In Black (1989/2012).
Parallels ist auch eine Fan-Folge, da sich die verschiedenen Paralleldimensionen oft auf vergangene Serien-Momente beziehen, wie zum Beispiel den Kampf gegen die Borg. Wenn am Ende tausende von Enterprise-Raumschiffe in derselben Dimension auftauchen, entsteht ein riesiges intertextuelles Netzwerk, ein Bilderbuch früherer Staffeln. Und es ist schön, Worf und Troi einander näher kommen zu sehen.
Die letzte Lwaxana Troi-Folge, hier mit Enthüllungen über ein Trauma aus ihrer Vergangenheit. Es stellt sich heraus, dass sie neben Counselor Deanna Troi noch eine andere Tochter hatte, die jedoch tragisch verstarb. Lwaxama hat also nicht nur ihren Ehemann verloren, sondern auch eine Tochter. Vom Verlust dieser Tochter hat sie nie jemandem erzählt. Sie war also all die Jahre allein damit. Traurig. Jedoch faltet sich die Geschichte so sauber methodisch auf, dass das Zuschauen dröge ist. Lustig ist die Supertelepathen-Spezies, denn deren Gehirne ragen quasi aus dem Schädel heraus. Hierzu gehört ein kleines Mädchen, gespielt von Kirsten Dunst (ihre erste Rolle).
Die vielleicht beste Horrorfolge der Serie. Data träumt schlimm, zum Beispiel, dass Doktor Crusher per Strohhalm Rikers Hirn weglutscht und sich ein Stück von einer Torte abschneidet, die aussieht wie Counselor Troi. Dann klingelt das Telefon, er sucht danach und stellt fest, dass es in seinem Bauch ist. Er öffnet den Mund und Piepen ertönt. Die Träume verfolgen ihn auch in den Wachzustand, wo er manchmal Münder an den Körpern seiner Kollegen sieht. Und er hat einen seltsamen Drang, Troi zu erstechen. Was er auch tut, in einer Dressed To Kill-Fahrstuhlszene.
Um die Träume zu verstehen (und die seltsamen Fehlfunktionen an Bord der Enterprise), konsultiert Data Sigmund Freud auf dem Holodeck, dessen Analysen ihm aber nicht helfen. Später laufen auch Picard und La Forge in Datas Träumen herum und versuchen, sie zu entschlüsseln. Stellt sich raus, dass es für alles, was in Datas Träumen geschieht, eine richtige Interpretation gibt. Nämlich haben unsichtbare Parasiten die Enterprise gekapert und die Symbole in Datas Träumen geben genau Aufschluss darüber.
Susan Sontags berühmtester Essay ist wohl Against Interpretation (1966). Darin kritisiert sie den Ansatz, Kunst durch Interpretation eine klare Bedeutung anzudichten. Diese Art der Kunstbetrachtung zerstört laut Sontag die Kunst und auch das Verhältnis des Publikums zur Kunst, da sie Kunst einer Funktion unterwirft, nämlich der Funktion von Bedeutung. Genau das sehen wir auch in Phantasm: Traumbilder, die im Rahmen dieser sonst eher zahmen Serie durchaus verstörend wirken, verlieren am Ende der Folge ihre Sinnlichkeit, indem ihnen eine klare Bedeutung zugeschrieben wird.
TNG 7.2 – Liasons
Die Enterprise-Crew soll kulturellen Austausch mit den Eyaranern treiben. Hierzu kommen zwei Eyaraner an Bord. Troi und Worf sollen sie betreuen. Worf hasst Diplomatie und sein zu betreuender Eyaraner provoziert ihn ständig, was schließlich zur Prügelei führt. Trois Eyaraner will die ganze Zeit nur Süßigkeiten essen. Währenddessen fliegt Picard zusammen mit einem Eyaraner zu deren Heimatplaneten. Auf dem Weg stürzen sie auf einem anderen Planeten ab, wo eine zwielichtige Frau Picard gefangen hält, Gaslighting an ihm durchführt und versucht, ihn zu vergewaltigen. Wie sich schließlich herausstellt, ist in dieser Situation in einem doppelten Sinn nichts wie es scheint. Eine schön vignettenhafte Folge.
Eine twilightzonige Zeitparadoxon-Folge, in der Picard, Data, Troi und La Forge in einem Shuttle auf dem Rückweg zur Enterprise sind. Nach ein paar seltsamen Zeitphänomenen sehen sie bei ihrer Ankunft, dass die Enterprise sich gerade im Kampf mit einem romulanischen Warbird befindet. Nur ist die Situation wie eingefroren. Beide Schiffe, mitten in der Schlacht, stehen starr im Raum und auch ihre Besatzungen sind eingefroren. Aber nicht ganz eingefreren. Es stellt sich heraus, dass sich die Zeit in und um die beiden Schiffe extrem langsam voran bewegt.
Es ist ein cooles Konzept und erlaubt eines der seltsamsten Bilder, die je in der Serie zu sehen waren: Nämlich malt Picard einen Smilie in eine eingefrorene Wolke und lacht verrückt (die Zeitanomalie hat psychische Auswirkungen, Patrick Stewart ist super im Verrücktspielen).
An dieser Stelle möchte ich die Voyager-Folge Blink of an Eye (Staffel 6, 2000) empfehlen, in der die Voyager im Gravitationsfeld eines donutförmigen Planeten festhängt. Durch die seltsame Gravitation vergeht die Zeit auf dem Planeten viel schneller als auf der Voyager. Die Voyager beobachtet innerhalb weniger Stunden, wie aus einem Steinzeitvolk eine technologische Supermacht wird. Die Stargate-Episode Unending (Staffel 10, 2007), die letzte Episode von Stargate SG-1, erzählt eine ähnliche Situation. Wir sehen hier zwei im Kampf nahezu-eingefrorenen Raumschiffe, während für die Stargate-Hauptbesetzung die Zeit normal weiter läuft. Im Gegensatz zu Timescape kann diese Situation jedoch nicht aufgelöst werden, und so zeigt die Folge die Serienhelden einfach beim Altwerden.
Das Konzept von eingefrorener Zeit spielt auch in der Twilight Zone-Episode A Little Piece and Quiet (1985) eine wichtige Rolle, gedreht von Wes Craven, extrem gute Geschichte mit wirklich gruseligen Ende, in voller Länge hier auf Youtube zu sehen.
Commander Riker begegnet einem Doppelgänger, der vor acht Jahren durch einen Beamer-Unfall entstanden ist, kein Klon, sondern eine exakte Kopie von Riker. Dieser zweite Riker war all die Zeit auf einer Raumstation gefangen und wurde nun von der Enterprise geborgen. Er ist nur Lieutenant, daher hat er eine gelbe Uniform. Was ihn in all der Zeit am Leben hielt, war der Gedanke an seine große Liebe, Deanna Troi. Nun auf der Enterprise erzeugt das eine Dreierkonstallation, die für alle Beteiligten seltsam ist. Troi hat längst damit abgeschlossen, dass sie lediglich eng befreundet mit Riker Rot ist, doch Riker Gelb will nun wieder etwas von ihr. Als er sie zum ersten Mal sieht, wird er direkt übergriffig und küsst sie stürmisch. Troi ist verwirrt und so bespricht sie sich mit Doktor Crusher, natürlich beim Sport.
Am interessantesten ist wohl, dass Riker Gelbs Existenz ein Unfall ist. Damit muss er für den Rest seines Lebens leben. Riker Gelb und Riker Rot stehen in Konkurrenz miteinander, was zu Schwanzvergleich führt, besonders während einer Pokerszene. Am Ende vertragen sich die beiden Rikers. Riker Gelb nennt sich von nun an Thomas und alles ist gut. Regie führte LeVar Burton.