Nach Remember Me die nächste Twilight Zone-Folge. Riker erwacht aus einem Koma, sechszehn Jahre in der Zukunft, ohne sich erinnern zu können, wie er Captain der Enterprise wurde, graue Strähnchen bekam und einen Sohn (den er natürlich Jean-Luc nannte). Picard (mit Bart und etwas längeren Haaren gruselig) ist jetzt Admiral, Troi trägt Uniform, Geordi keinen Visor mehr, und so weiter. Natürlich ist das Ganze nur eine Charade und die Charade selbst entpuppt sich auch wieder als Charade. Am besten gefällt mir das Alien, das wie ein Halloween-Kind in ET aussieht.
Die spannendere Variante dieser Geschichte ist eine Akte X-Folge namens Field Trip, in der Mulder und Scully ihren Alltag halluzinieren, während eine fleischfressende Pflanze sie verdaut. Meine nächste teure Bluray-Box wird die Akte X-Box sein, irgendwann…
Family ist der Epilog zu The Best of Both Worlds, in dem Picard seine Familie in Frankreich besucht, Wesley mit seinem toten Vater abschließt und Worfs Eltern ihn auf der Enterprise besuchen, was Worf natürlich erst nervt, aber später findet er es doch gut und die Eltern freuen sich. Die Konfrontation zwischen Picard und seinem Bruder ist uninteressant, aber irgendwie hat es mich doch ergriffen, wie er ihm unter Schlamm und Tränen gesteht, dass seine Zeit bei den Borg ihn gebrochen hat. Und der arme Riker wurde vom Captain wieder zum Ersten Offizier degradiert.
Part 1 endet mit einem Cliffhanger: Riker muss entscheiden, ob er den Borg-Kubus mit Picard/Locutus drauf zerstören will oder nicht. Leider wird dieser Cliffhanger in Part 2 schwach aufgelöst. Der hochgepimpte Phaser richtet nichts aus und das Borgschiff nimmt Kurs auf die Erde. Mein Lieblings-Cliffhanger ist irgendwo in der zweiten Staffel von The Wire (2002-2008), wenn sich am Ende einer Folge heraus stellt, dass irgendjemand (ich weiß nicht, wer), ermordert werden soll und dieser Jemand in der nächsten Folge schon seit ein paar Tagen tot ist.
Riker wird nach der Assimilation Picards zum Captain befördert und macht Shelby zum ersten Offizier. Riker trägt nun vier Punkte auf dem Kragen, um glaubhaft zu machen, dass Picard vielleicht nicht wieder zurück kommt. Riker wird nun das im ersten Teil entfachte Chaos in wohlfühlige Fernseh-Besänftigung auflösen, eine vorhersehbare Prozedur. Langweilig und besänftigend gehen hier Hand in Hand.
Diese Folge zeigt zunächst das Kräftemessen zwischen Riker und der Gastfigur Commander Shelby. Shelby möchte neue Nummer Eins unter Captain Picard werden. Riker wurde nämlich der Captain-Job auf einem anderen Schiff angeboten. Dass Shelby Riker gewachsen ist, sieht man daran, dass sie ihn beim Pokern besiegt. In Shelbys Ehrgeiz und Sturheit sieht Riker sich selbst. Insgeheim bewundert er sie dafür und betrauert den Verlust dieser Merkmale in sich.
Die extreme Spannung dieser Folge liegt nicht im Kampf gegen die Borg, sondern darin, dass hier Weichen gelegt werden, die langfristige Konsequenzen für die Serie haben könnten. Captain Picard könnte wirklich sterben und Riker könnte wirklich durch Shelby ersetzt werden. Die Folge verunsichert, indem sie die Konventionen einer TNG-Folge bricht. Zu TNG gehört zum Beispiel, dass Gastfiguren in einem kleinen Ritual vorgestellt werden: Sie werden auf die Enterprise gebeamt und im Transporterraum begrüßt. Das macht The Best of Both Worlds, Part 1 nicht. Commander Shelbys Auftritt ist nicht der einer Gastfigur, sondern sie ist von Beginn an da und verhält sich wie ein festes Mitglied der Crew. Das erzeugt den verunsichernden Eindruck, dass diese Folge nach neuen unbekannten Regeln spielt.
Diese Art der Verunsicherung ist ein Merkmal des Postmodernismus. Ich habe nur eine vage Ahnung vom Postmodernismus, aber er scheint mir im Zusammenhang mit dieser Folge eine fruchtbare Perspektive zu sein. Ich will zunächst kurz sagen, was ich unter dem Begriff verstehe: Das Ende des Zweiten Weltkriegs führte nicht, wie viele gehofft hatten, zum Wiederaufbau der Normalität, sondern in den Kalten Krieg, die nukleare Gefahr, den Konflikt zwischen Israel und Palästina, zu immer undurchsichtigeren Eigentumsverhältnissen und so weiter. Diese neuen kaum lösbaren Probleme schufen ein Gefühl der Verunsicherung, die sich seitdem in vielen Erzählungen der Popkultur spiegelt, in offenen Enden, nicht-linearen Erzählstrukturen, Ironie, Verwischung von Gut und Böse, Intertextualität. Captain Picard sieht den Zweiten Weltkrieg genau umgekehrt, nicht als Treiber der Postmoderne, sondern als Treiber der Moderne. In Manhunt schwärmt er vom Zweiten Weltkrieg, da durch ihn viele tolle Raketensysteme entwickelt wurden, die Basis der Raumfahrt.
Auch Gene Roddenberry war Gegner des Postmodernismus. Er wollte eine aufgeklärte moderne Welt, in der es für jedes Problem eine Lösung gibt. Doch schon in der ersten TNG-Folge, Encounter at Farpoint, kommt es zur Störung, und zwar durch Q, der zwei postmoderne Werkzeuge nutzt: Rätsel und Ironie. Qs Botschaft ist: Ihr denkt, ihr wisst alles, aber in Wahrheit wisst ihr nichts. In Q Who zeigt Q der Enterprise-Crew die Borg. Die Postmoderne tritt hier in Form einer extrem bedrohlichen Spezies auf. Die Borg sind nicht bedrohlich, weil sie die Enterprise allein mit ihren Ohrläppchen zerstören könnten, sondern weil sie eine Gefahr sind für die Besänftigungs-Logik von Fernsehserien. Q Who war die erste TNG-Folge ohne Auflösung, ohne Gewinner und Verlierer.
Nun sind die Borg in The Best of Both Worlds, Part 1 zurück. Picard steht mit dem Rücken zum Bildschirm, hinter ihm der Borg-Kubus, und er sagt: We have engaged the Borg. Dieser Moment wurde geschrieben als Promo-Material für die Vorschau und als guter Moment, um in die Werbung zu gehen. Erzählerisch ist dieser Satz unnötig, da wir bereits wissen, dass die Borg da sind. Dennoch liegt hierin eine besondere Spannung, und ich denke, dass das etwas mit der kritischen Haltung zu tun hat, die TNG zum Postmodernismus einnimmt.
Picard sagt: We have engaged the Borg. Dabei könnte man den Satz umdrehen: The Borg have engaged us. Picard beschreibt nicht objektiv die Situation, sondern er macht eine Deklaration. Nach John R. Searle [in Making the Social World: The Structure of Human Civilization (2010)] ist eine Deklaration die Erfindung eines Faktes durch simple Behauptung. So funktioniert Kolonialismus. Die Eroberer betreten das Land und sagen: Dieses Land gehört uns. Sie behaupten einen Fakt und gründen darauf ihr Recht, diesen Fakt materiell umzusetzen. So funktioniert auch Besitz in unserem Alltag. Wenn ich eine Ware in den Einkaufswagen lege, dann deklariere ich so diese Ware für mich. Dieser nun entstandene Besitz ist reine Behauptung, aber wir haben uns gemäß der zivilen Ordnung darauf geeinigt, dass Deklarationen Tatsachen schaffen. Wenn Picard also deklariert, We have engaged the Borg, dann ist das nicht einfach ein ikonischer Spruch, sondern eine Deklaration der Macht der Sternenflotte, die Borg zu stellen, anstatt von den Borg gestellt zu werden. Die Deklaration ist ein Werkzeug der Moderne, denn mit ihr lassen sich Dinge klar festschreiben. Der Postmodernismus lehnt die Gültigkeit von Deklarationen ab, aber nicht, um die Moderne zu kritisieren, sondern um die Verunsicherung durch die Komplexitäten der Welt zu ästhetisieren und zu ironisieren. So entführen die Borg Picard, assimilieren ihn, nennen ihn Locutus und lassen ihn nun im Namen der Borg Deklarationen aussprechen, zum Beispiel: Widerstand ist zwecklos.
Captain Picard, ein Symbol geistiger Klarheit, Stärke und Sicherheit, ist jetzt ein aus verschiedensten Bausteinen zusammen gesetztes Ding mit Laserpointer an der Schläfe. Picards Assimilation hinterlässt eine verunsicherte Crew, die Enterprise ist jetzt ein postmoderner Ort. Die Folge entspricht damit der Kritik am Postmodernismus, nach der der Postmodernismus (zugespitzt) die Vernunft verhöhnt.
Die für jede Staffel obligatorische Lwaxana Troi-Folge. Die Komödie wird diesmal vor allem durch die Ferengi erzeugt, die als hässliche, stinkende, intrigante und wassonstnochalles Viecher dargestellt werden. Man sieht zum ersten Mal ein Ferengi-Raumschiff von innen und lernt, dass Ferengi senfgelbe Matratzen mögen. Es geht darum, dass ein Ferengi auf Lwaxana Troi steht, also entführt er Lwaxana, Riker und Deanna Troi auf sein Schiff. Die drei versuchen zu fliehen, was auch beinhaltet, dass sich Lwaxana dem Ferengi anbieten muss. Was genau zwischen den Beiden passiert, wird nicht gezeigt, aber man kann davon ausgehen, er sie vergewaltigt.
Ich schreibe seit einem viertel Jahr jeden Tag über eine Folge The Next Generation. Dabei habe ich den Sexismus der Serie immer wieder angesprochen (siehe Encounter At Farpoint, Angel One oder The Child). Ich hätte dabei deutlicher sein können, denn TNG zelebriert Rape Culture. Das zeigt sich vor allem in der Figur des Commander Riker, dessen Frauenverachtung in der Serie als Running Gag funktioniert.
In dieser Folge wird Riker der Vergewaltigung beschuldigt. Es ist nur ein kurzer Moment, der mit dem Rest der Folge nichts zu tun hat, aber genau das sagt viel über die Serie aus. Nachdem der Vorwurf ausgesprochen ist (visualisiert durch eine Holodeck-Simulation), glotzen alle schockiert in die Kamera, sagen, dass Riker so etwas nie tun würde und reden nicht mehr drüber. Die restliche Folge schweigt über diese Beschuldigung.
Da A Matter of Perspective das Thema Vergewaltigung totschweigt, nutze ich die Gelegenheit, um über die Vergewaltigung von Grace Lee Whitney zu sprechen. Diese Vergewaltigung wird von großen Teilen der Star Trek-Community ebenfalls totgeschwiegen. Grace Lee Whitney spielte in den ersten dreizehn Folgen der Originalserie aus den Sechszigern mit. Sie spielt Yeoman Janice Rand (Yeoman ist in der Navy so eine Art Maat). Whitney schrieb in ihrer Autobiographie The Longest Trek: My Tour of the Galaxy (1998) über ihre Vergewaltigung und wie diese dazu führte, dass sie bei Star Trek aufhören musste. Whitney bezeichnet ihren Vergewaltiger nur als den „Executive“. Sie nennt seinen Namen nicht, aber seine sehr hohe Machtposition und viele Aspekte ihrer Erzählung zeigen deutlich auf Star Trek-Erfinder Gene Roddenberry.
Eines Nachts war Whitney gerade auf dem Weg von der Toilette zurück zu einer Star Trek-Produktionsparty. Auf dem Weg sprach der Executive sie an. Er erzählte ihr, dass er plane, ihre Rolle weiter zu entwickeln und bot ihr ein Vieraugen-Gespräch an. Whitney war neugierig, denn sie spielte in der Serie nur eine Nebenrolle. So ließ sie sich von ihm in ein leeres Büro in einem leeren Produktionsgebäude führen. Hier nun ein Abschnitt aus ihrem Buch (von mir ins Deutsche übersetzt [das Buch ist sehr gut und gibt’s günstig zu kaufen, einen längeren Auszug im englischen Original findet man hier]):
Das Büro hatte eine Bar. Er ging hinüber und machte uns Drinks, ohne zu fragen, ob ich überhaupt einen wollte. Er wusste, dass ich einen wollte. Er gab mir das Glas, dann setzte er sich hinter den Schreibtisch. Wir sprachen. Und wir lachten. Und wir tranken. Er erzählte mir von kommenden Drehbüchern und schlug vor, eine stärkere Beziehung zwischen Yeoman Rand und Captain Kirk zu schaffen. Er versetzte sich selbst in Kirk und sagte: „Jetzt bin ich der Captain und du bist die Yeoman. Was würde in dieser Situation Rand zu Kirk sagen? Versetz dich in die Rolle. Schütte mir dein Herz aus.“ Und wir begannen ein Rollenspiel, das ziemlich sexy war, aber nur über den Schreibtisch hinweg, drei Meter voneinander entfernt. Für mich war das bloße Improvisation mit den Charakteren, um die Kirk-Rand-Beziehung auf Story-Möglichkeiten hin zu erforschen. Später begriff ich, dass das alles Teil seiner sorgfältigen Strategie war. „Weißt du“, sagte er, nachdem wir eine Weile gesprochen hatten, „das Faszinierende an Janice Rand ist ihre unterdrückte Begierde, ihr Hunger nach Sex.“ „Nicht Sex“, sagte ich. „Liebe. Sie liebt den Captain.“ „Das ist dasselbe“, sagte der Executive. „Sie will den Captain unbedingt, aber sie unterdrückt es. Sie gibt es nicht zu, nicht einmal gegenüber sich selbst. Wir wissen alle, was sie wirklich will, aber sie selbst weiß es nicht. Sie leugnet es. Janice Rand kann sich ihren eigenen Begierden, ihrer eigenen Sexualität nicht stellen.“ „Absolut“, sagte ich. „Das ist der Schlüssel zu dem Charakter.“ „Und du bist genau wie Janice Rand.“ „Ich bin… was? Was hast du gesagt?“ Mir war nebulös bewusst, dass unsere Diskussion eine scharfe Wende genommen hatte. Aber das Schwirren in meinem Kopf hinderte mich daran, die genaue Richtung zu erkennen, die der Executive eingeschlagen hatte. „Du bist hungrig innen“, sagte er, „genau wie Janice Rand. Hungrig, geil, voller Begierde. Aber du unterdrückst es. Du hältst es zurück. Das ist nicht gesund, Grace.“ Keine Sirenen, keine Warnglocken. Ich lachte nur, lehnte mich zurück und antwortete selbstgefällig: „Ich halte gar nichts zurück. Wenn es jemanden gibt, der komplett ungehemmt ist, dann bin ich das.“ „Aha?“, sagte er. „Tja, gut, dann. Lass doch mal sehen, wie ungehemmt du bist. Zieh dich aus.“ „Was?“ Ich lachte. „Du machst Witze!“ Der Executive stand auf, kam um den Tisch und baute sich neben mir auf.
Whitney versuchte zu fliehen und schaffte es in einen Konferenzraum nebenan, der aber keine zweite Tür hatte. Der Executive kam ihr nach und schloss den Raum von innen ab.
Ich versuchte zu tun, was er wollte, damit ich es hinter mich bringen konnte. Tief in mir drin wusste ich, dass ich mit Star Trek abgeschlossen hatte. In diesem Moment war mir das aber egal. Nichts zählte, weder die zerstörte Idylle, noch meine Karriere, noch meine Rolle in Star Trek. Das einzige, was zählte, war, lebend aus diesen Raum heraus zu kommen. Aber er ließ mich nicht runter vom Tisch. Er wurde nicht erregt und das machte ihn noch bedrohlicher. „Komm schon!“, verlangte er. „Du musst die Sexbombe sein! Sorg dafür, dass ich dich will! Komm schon!“ Ich wusste nicht, warum er nicht erregt wurde, ich versuchte es. Ich versuchte es wirklich. War es, weil er zu viel getrunken hatte? Oder weil ich zu lang mit ihm gestritten hatte und er jetzt zu wütend war, um erregt zu sein? Oder weil er zu viele Frauen gehabt hatte und jetzt keinen mehr hochbekam? Oder… Oder war ich es? War etwas an mir falsch? War ich, nachdem ich auf den Tisch gestiegen und getanzt hatte, einfach eine Enttäuschung für ihn? „Bitte“, flehte ich. „Lass mich runter. Lass mich raus hier. Bitte.“ Er grunzte angewidert. „Na gut!“, sagte er bitter. „Komm runter!“ Ich stieg vom Tisch. „Aber“, fügte er hinzu, während er sich auf dem Sofa zurücklehnte, „wir sind noch nicht fertig. Wenn wir fertig sind, kannst du gehen. Komm her.“
Um frei zu kommen, musste Whitney den Executive oral befriedigen. Direkt danach ging sie zu Spock-Darsteller Leonard Nimoy nach Hause und erzählte ihm alles. Nimoy war ihr einziger Vertrauter. Am nächsten Tag am Star Trek-Set saß Whitney gerade in der Maske. Da kam der Executive zu ihr und schenkte ihr einen Stein, den er, wie er sagte, für sie poliert hatte. Man beachte die psychoanalytische Symbolik: Ein Mann schenkt einer Frau ein hartes Objekt, an dem er lang gerubbelt hat. Whitney bedankte sich. Gene Roddenberry war bekannt für sein Hobby des Steinepolierens.
Ich ging durch den Rest des Tages mit dem Gefühl, mir in den Fuß geschossen zu haben – nein, in beide Füße. In Hollywood voran zu kommen, bedeutet zu wissen, wer die Macht hat, dann einen Weg zu finden, dieser Macht nahe zu kommen und dann, mit dieser Macht ins Bett zu steigen. Ich hatte es abgelehnt, mit der Macht ins Bett zu steigen. Das mag moralisch richtig gewesen sein, aber es war taktisch dumm. […] Denn am Ende hatte mich dieser Mann genauso verletzt und ausgebeutet, wie wenn ich mitgespielt hätte, nur hatte ich jetzt nicht mal einen Karriere-Fortschritt vorzuweisen. Schlechter Zug, Whitney, dachte ich. Das hast du dir mal wieder selbst eingebrockt.
Eine Woche später erhielt sie einen Anruf von ihrem Agenten Alexis Brewis:
„Tja”, sagte Alex, „mir wurde gesagt, es ist eine kreative Entscheidung. Die Produzenten finden, dass die romantische Beziehung zwischen Kirk und Rand ein bisschen zu offensichtlich wird, und dass das die Story-Möglichkeiten begrenzt. Anscheinend finden sie, dass Captain Kirk die Freiheit haben sollte, Affären mit anderen Frauen auf all den verschiedenen Planeten zu haben. Wenn die Beziehung zwischen Kirk und Rand zu intensiv ist, sieht das so aus, als sei er untreu gegenüber Janice Rand. Die Zuschauer würden wütend auf Kirk werden und abschalten. Das ist zumindest das, was sie mir erzählen.“
Somit wurde Grace Lee Whitneys Vertrag nach dreizehn Folgen nicht verlängert. Auf Wikipedia steht, dass er wegen ihres Alkoholismus nicht verlängert wurde. Kein Wort von der Vergewaltigung und dem Executive. Sie wollte seinen Namen nie nennen, weil sie aufgrund ihres Glaubens niemandem weh tun wollte, auch nicht denen, die ihr weh getan haben.
Roddenberrys Frauenhass ist in der Originalserie klar zu sehen. Frauen sind nur zum Begaffen und Belästigen da. Auf der Enterprise unter Captain Kirk gehörten sexuelle Belästigung und ständige Vergewaltigungsgefahr zur Betriebskultur. Dies war wahrscheinlich ein genauer Spiegel der Produktionsbedingungen der Serie. William Shatner schrieb in seiner Autobiographie, dass Whitney zwei Mal vergewaltigt wurde, ein Mal vom Executive, ein anderes Mal von einem prominenten Mitglied des Casts. Roddenberry wollte, dass Frauen größere Rollen bekamen, aber in Machtpositionen wollte er sie nicht. Leonard Nimoy hat überliefert, dass Roddenberry mal in einem Production Meeting sagte: „Man darf eine Frau niemals wirklich an Macht kommen lassen. Alle Frauen sind Fotzen, man kann ihnen nicht trauen.“ [Gene Roddenberry: The Myth and the Man Behind Star Trek (1994) von Joel Engel]
Man könnte nun sagen, das war in den Sechszigern. Doch Denise Crosby (Lieutenant Tasha Yar), Gates McFadden (Doktor Beverly Crusher) und Marina Sirtis (Counselor Deanna Troi) haben den Sexismus der Produzenten und Autoren von TNG in verschiedenen Interviews immer wieder kritisiert. Crosby und McFadden stiegen am Ende der ersten Staffel aus. Sirtis stand es durch, immer in der Hoffnung auf eine größere Rolle in einer der Folgen. In einem Interview sagte sie, dass die Produzenten mit ihr nur über ihr Aussehen sprachen, über ihren Lippenstift und über ihre Haare, aber nie über ihre Rolle. Roddenberry wollte Counselor Troi ursprünglich sogar vier Brüste verpassen. Wäre das nicht so unpraktisch, hätte er es sicher gemacht.
Auch als Fan von etwas muss man eine kritische Perspektive einnehmen, vor allem wenn dieses Etwas von so großer kultureller Bedeutung ist wie TNG. Mit sich ändernden Perspektiven ändern sich auch die Fragen, die wir an Werke richten, um sie und ihre Bedeutung neu und tiefgründiger zu verstehen. In einem Interview über die kritische Auseinandersetzung mit David Foster Wallace nach MeToo sagte die Literaturwissenschaftlerin Clare Hayes-Brady:
Wallace war ein enorm talentierter Autor. Ob man Fan ist oder nicht, es lässt sich nicht bestreiten, dass er sehr wichtig für seine Generation war. Aber man kann sein Leben als Kritiker nicht nur damit verbringen, darüber zu reden wie großartig jemand ist. Wie jeder Autor hat auch er Schwächen, sowohl technische als auch moralische oder ethische. Der Backlash [gegen Wallace] war also wirklich wichtig und hat der Wallace-Forschung neues Leben eingehaucht. Wir haben etabliert, dass er wichtig war. Jetzt lasst uns über das reden, was nicht so gut ist. Und viel davon kommt aus einer ethischen Perspektive.
Man kann von TNG viel über Rape Culture und latenten Frauenhass lernen. Die Serie ist bevölkert von Enablern und Bystandern und geprägt von einer Geschlechterpolitik, die Frauen als „das Andere” sieht (zum Beispiel wenn der Auftritt einer dezidiert „schönen” Frau mit einem Glitzergeräusch untermalt wird). Während Männer eben der Status Quo sind, mit all ihren männlichen Eigenschaften, zu denen eben auch gehört, Frauen lüstern zu begaffen. Die Boys-will-be-boys-Mentalität wird in einer der ersten Folgen, The Last Outpost, sogar ausgesprochen, natürlich von Commander Riker.
Frauen spielen in TNG meistens die Versorgerrolle, die sich um die schaltenden und waltenden Männer zu kümmern haben. Counselor Troi ist Therapeutin, ihr Lächeln ist zum Aufmuntern da. Doktor Crusher ist Ärztin und „liebende Mutter”. Guinan ist weise Ratgeberin und dass sie schwarz ist, darf man nicht verschweigen, denn mit ihrer Weisheit, ihren leicht übersinnlichen Fähigkeiten und ihrer mystischen Aura ist sie ein magical negro. Ist eine Frau mal nicht kümmernd und sorgend und liebend und lächelnd, wie zum Beispiel Tasha Yar, dann weiß die Serie nicht viel mit ihr anzufangen, stellt ihre Persönlichkeit als unweiblich heraus, zeigt abschätzige Blickwechsel zwischen männlichen Crewmitgliedern und auf Dialogebene fallen Wörter wie „unusual”. So zelebriert TNG eine Kultur, in der Frauen vor allem für Männer existieren und Männer von der Verantwortung für ihren Umgang mit Frauen freigesprochen sind. Die Ignorierung der Vergewaltigungs-Anschuldigung in A Matter of Perspective ist hierfür das deutlichste Beispiel.
In The Child findet sogar on screen eine Vergewaltigung statt: Eine Lichtkugel dringt in Counselor Troi ein während sie schläft und schwängert sie. Die Serie erwähnt nicht, dass dies eine Vergewaltigung ist. Stattdessen lädt die Serie die Vergewaltigung esoterisch auf, denn sie wird von einem göttlichen Lichtwesen ausgeführt, dem die Serie eine Erlaubnis erteilt.
Captain Picard ist ein Enabler, der sich hinter seinen Sternenflottenpflichten und seiner wissenschaftlichen Neugier versteckt. So muss er keine Verantwortung für einen Commander Riker übernehmen, der mit gierigen Blicken, dummen Witzen, „versehentlichen” Berührungen und gelegentlich auch körperlichen Übergriffen die ihm untergebenen Frauen wahrscheinlich täglich in unangenehme und traumatische Situationen bringt. Man muss bedenken: Diese Frauen sind an diesem Arbeitsplatz, der Enterprise, gefangen. Sie können nicht nach Hause gehen. Sie sind ganze Sternensysteme von ihrem Zuhause entfernt. Sie haben nur Kollegen, die genauso den hierarchischen Zwängen der Sternenflotte unterworfen sind. Betriebsräte, Gewerkschaften, Presse, Polizei, das gibt es auf der Enterprise nicht. Picard ist der Chef. An ihn sollte man sich wenden können. Doch Picard ist ein extremer Narzisst, besessen von seinem Image als Captain und vom Image der Enterprise als Vorzeige-Raumschiff. Wahrscheinlich verbringt Picard die meiste Zeit in seinem Ready Room damit, seine theatralischen Schlussmonologe zu proben. Diese Art Chef ist weit verbreitet. Gibt sich vertrauenswürdig und klug, doch von sexueller Belästigung und übergriffigem Verhalten in seiner Arbeitsstätte will er nichts wissen.
Angesichts dieser bedrohlichen und ausweglosen Atmosphäre, die die Enterprise in TNG beherrscht, könnte man sich entscheiden, die Serie einfach nicht zu schauen, so wie viele die Filme von Roman Polanski nicht schauen oder die Bücher von David Foster Wallace nicht lesen. Im oben erwähnten Interview über Wallace sagt Clare Hayes-Brady, dass man diese Entscheidung entweder als Leser oder als Kritiker treffen kann:
Als Leser ist die Entscheidung, einen Autor nicht zu lesen, aus welchen Gründen auch immer, absolut berechtigt. Aber mir ist aufgefallen, dass [auch] manche Kritiker und Wissenschaftler Wallace nicht mehr behandeln wollen. […] Dies scheint mir keine berechtigte kritische Geste zu sein. Wenn man in der glücklichen Situation ist, seinen eigenen Lehrplan zu erstellen, dann bemerkt niemand, wenn man einen Autor raus lässt. Inklusion kann radikal sein, aber einen Autor nicht zu behandeln, ist keine sichtbare kritische Geste. Außer man hat vor, über die Gründe zu sprechen, wegen denen man ihn nicht behandelt. In diesem Fall kann man ihn aber genauso gut auch einfach behandeln.
Mir fallen zu dieser Folge drei positive Punkte ein: (1) Es ist ein bisschen lustig, Marina Sirtis beim Grimassieren zuzusehen. (2) Es ist ein bisschen eklig, wie die Nadeln in Rikers Schädel gesteckt werden. (3) Das Publikum kann sich ein kleines bisschen in Riker hineinversetzen, weil sich die Schmerzen, diese Folge zu sehen, mit jeder Minute potenzieren, parallel zu Rikers immer schlimmer werdenden Erinnerungen. Pulaski und Troi haben nämlich festgestellt, dass positive Erinnerungen seinen Zustand verschlechtern, negative ihn verbessern.
Shades of Grey ist die schlechteste Folge der ganzen Serie, vielleicht die schlechteste Folge aller Serien jemals. Nicht lustig-schlecht, sondern verschwendete Zeit. Man könnte hier immer noch den Autorenstreik verantwortlich machen, wegen dem diese Staffel nur 22 statt 26 Folgen hat. Es hätten aber auch gern 21 sein können. Wer die Folge noch nicht gesehen hat, sollte sie auch nicht schauen.
Meine Lieblingsfolgen der zweiten Staffel: The Measure of a Man, Q Whound Manhunt. Die schlechteste ist hiermit bestimmt. Staffel Eins war ein Hin und Her zwischen wirklich coolen und wirklich miesen Folgen. Staffel Zwei: wenig wirklich cooles, wenig wirklich schlechtes, meist Mittelmaß.
Nach Conspiracy(1.25) die zweite Folge, in der Data lacht (ich führe Buch). Nach Haven (1.11) die zweite Folge mit Counselor Trois Mutter, Lwaxana Troi, und ihren ständig saufenden Diener Homn. Der Gag mit dem schweren Gepäck geht diesmal auf Rikers Kosten.
Neue Folge von Melinda M. Snodgrass. Anfangs hat Worf Schnupfen, was ihn empört, doch Pulaski kann ihn beruhigen, indem sie mit ihm ein klingonisches Tee-Ritual durchführt. Gemeinsam Tee zu trinken ist für Klingonen ein Symbol für das Beste, was man zu zweit tun kann: Sterben. Dann beamt die Enterprise eine gefährdete Menschenkolonie in den Frachtraum, die noch ziemlich unterentwickelt ist, mit Stroh, Tieren und all diesen widerlichen Dingen, über welche die Enterprise-Crew nur die Nase rümpfen kann. Picard will diese in seinen Augen ekelhaften Menschen schnellstmöglich vom Schiff haben. Die stinken ja alles voll! Riker hingegen flirtet direkt mal eine der Frauen an, indem er sich einfach nur vor sie stellt und sie anstarrt. Mehr nicht, starren und grinsen. Sie findet das geil, will sofort mit auf sein Quartier und nach zwei Minuten gibt sie sich ihm hin.In der zweiten Hälfte fliegt die Enterprise zu einer Klon-Kolonie, die nach Generationen des Klonens Probleme mit ihren Genen bekommen haben. Hier kann Picard seine verhassten Ekelgäste abladen, damit sie wieder neuen Schwung in die Gene bringen.
Dies ist eine spaßige Slice-of-Life-Folge. Es passiert nichts Großes, aber alle Figuren haben ihre Problemchen. Riker trifft seit vielen Jahren seinen Vater wieder. Worf ist gereizt. Wesley will Worf helfen. Geordi und Data wollen Wesley helfen, Worf zu helfen. Pulaski will auch helfen, hatte aber mal was mit Rikers Vater. Riker bekommt den Captain-Posten auf einem anderen Schiff angeboten. Troi ist traurig, weil Riker die Enterprise verlassen wird. Troi und Pulaski reden drüber, weil Troi steht ja auf Riker und Pulaski steht auf Rikers Vater. Riker und sein Vater tragen ihre Probleme in einem lächerlichen American Gladiators-Kampf aus. Am Ende bleibt Riker doch auf der Enterprise, Worfs Problem ist gelöst, alle freuen sich, Ende.