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Star Trek: The Next Generation

TNG 6.26 – Descent, Part 1

Diese Folge habe ich noch nie zuvor gesehen. Als Voyager-Fan war ich irritiert, die Borg herumspringen und grölen zu sehen (eine Konsequenz aus der Entscheidung, den individualisierten Hugh in I, Borg wieder ins Borg-Kollektiv zu entlassen). Data ist irritiert, weil er im Kampf gegen diese abgespaltete Borgmeute plötzlich Wut empfindet, und beim Töten empfindet er Genuss.

In einer Szene stellt Data auf dem Holodeck die Situation nach, in der er den Borg tötete, um diese Gefühle nochmal zu fühlen. Allerdings ist dieser holografische Borg nicht stark genug, er stellt keine wirkliche Gefahr dar. Also steigert Data immer weiter die Kraft des Borg, um sich in tatsächliche Lebensgefahr zu bringen und dann vielleicht etwas zu fühlen. Es wäre interessant gewesen, diese Sequenz noch weiter auszuspielen, sodass Data tatsächlich Lust am Töten gewinnt, eine Sucht entwickelt, etwas in der Art. Aber nein, hinter all dem steckt natürlich Lore, von dem die Serienmacher glauben, es sei eine gute Idee, ihn alle dreißig Folgen auftauchen zu lassen. Diesmal hat er mit den abtrünnigen Borg einen kleinen Kult gegründet. Fortsetzung folgt.

Bis auf Rascal enthält Staffel 6 leider keine weitere Folge, die ich zu meinen Lieblingsfolgen zählen würde. Die Staffel hat viele coole Ideen, jedoch ist alles sehr routiniert ausgeführt. Und es gibt keine Lwaxana-Folge.

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Film

Angst (1983)

Ein Mörder kommt aus dem Gefängnis frei und will sofort wieder morden. In einer Sequenz, die in einem Imbiss spielt, drücken Kamera und Schnitt seinen Morddrang aus. Wir sehen Nahaufnahmen weiblicher Körperteile und hören Schmatz-Geräusche des gerade wurstessenden Mörders. Für ihn sind die beiden Frauen eine Ansammlung von Körperteilen, wie Nutztiere, reduziert auf ihre Schmackhaftigkeit. Und wie Tiere geben diese Frauen nur Laute von sich (ihre Unterhaltungen sind gedämpft und unverständlich wiedergegeben).

Das Besondere an Angst ist seine Ablehnung von psychologischen, soziologischen oder sonstwie gearteten Erklärungen. Dass der Mörder mordet, ist einfach gegeben. Das Morden und die Gewalt sind hier weder ein in Charakterlogik begründeter Drang, noch sind sie Folge von äußeren Zwängen. Stattdessen zeigt der Film das Morden in einem Modus der Zweckrationalität. Lange Sequenzen zeigen es als langwierigen Prozess voller praktischer Schwierigkeiten. Die Opfer wehren sich mit aller Kraft. Dabei zersplittern Scheiben, Möbel und Gegenstände fliegen durcheinander, es kommt zu einer Überschwemmung. Zum Schluss ist das abgelegene Waldhaus, in dem der Mörder drei Menschen tötet, komplett verwüstet. Die Spuren sind im Gegensatz zu Psycho (1960) nicht mehr wegzuwischen. Dieser Umgang mit Gewalt verschließt sich dem, was wir von Filmgewalt gewohnt sind. Die Gewalt ist weder eingewoben in folkloristische Mythologien (wie im Slasher), noch in Spannungs-Mechanismen (wie in hitchcockianischen Thrillern). Sie ist einfach nur da und erzeugt gelähmtes Starren. Weiter oben habe ich geschrieben, der Film würde Erklärungen ablehnen. Allerdings psychologisiert der Mörder in Voice-Over-Monologen selbst seine Taten. Seine Stimme klingt, als gefalle ihm, dass wir ihm zuhören. Der Film spielt diese Monologe auch dann ein, wenn gerade Szenen grausamer Gewalt zu sehen sind. Dass der Mörder von seiner schlimmen Kindheit erzählt, erzeugt keine Klarheit, sondern fügt der verstörenden Wirkung der Bilder einen höhnischen Kontrast hinzu.

Es wäre leicht, den Film als Gegenentwurf zum Slasherfilm zu sehen, oder zu True Crime. Aber ihn auf eine medienkritische Haltung zu reduzieren (wie Haneke sie behauptet zu vertreten), greift zu kurz. Der Film stellt die Banalität von Gewalt dar. Dabei unterscheidet sich Angst zu Filmen wie beispielsweise Idi i smotri (Komm und Sieh, 1980) darin, dass er sich nie künstlerisch über die Gewalt stellt. Er inszeniert sie nicht virtuos und er lässt auch nicht irgendwann mal Mozart laufen, damit sich das Publikum doch noch ein wenig kultiviert fühlen kann. Zudem sind alle Figuren auf bürgerliche Rollen reduziert. Die beiden Frauen vom Anfang im Imbiss sitzen am nächsten Tag immer noch mit den gleichen Klamotten am selben Platz, wie auch der ältere Herr, der hier scheinbar rund um die Uhr Zeitung liest. Alle Figuren, die in diesem Film auftauchen, wirken kalt und starr wie Leichen. Es ist ein Blick auf Gesellschaft als toter Ort. Eine wichtige Rolle spielt der Dackel, der in dem abgelegenen Waldhaus wohnt. Haustiere (vor allem Hunde) sind etwas, was der unterdrückte Mensch selbst unterdrücken kann. Als Pointe zeigt der Film, dass die Unterdrückung des Hundes nur eine Illusion ist, denn seine Herrchen sind ihm egal, er will nur gefüttert werden. Zum Schluss hüpft der Dackel zu dem, der gerade sein Herrchen getötet hat, ins Auto.

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Essay

Snuff und McKamey Manor

In den späten Nuller-Jahren entstanden in Amerika die Extreme Haunts. Das sind Gruselkabinette, in denen die Schauspieler die Besucher berühren dürfen, also richtiger Körperkontakt. In Extreme Haunts geht es oft um Gefangenschaft, Folter, sexuelle Gewalt, also um eine Art Kidnapping-Erfahrung, um Machtverlust.

McKamey Manor ist auf den ersten Blick auch ein Extreme Haunt. Er spielt mit den verbreiteten Vorstellungen von den Folterkellern „kranker Psychos“. Nur hier wird scheinbar wirklich gefoltert. Den Besuchern werden Haare ausgerissen, ihre Köpfe werden in Toilettenwasser gesteckt, sie werden geschlagen und gewürgt, in Frischhaltefolie gewickelt, ihre Finger in Mausefallen gesteckt, ihre Haut mit einer Feile abgschürft, sie werden in Kühlschränke und Särge gesperrt, sie werden angeblich gewaterboardet, und (angeblich) viel mehr.

aus einem Promo-Video von McKameys Youtube-Kanal (Links unterm Text)

All das wird gefilmt von Russ McKamey, dem Gründer von McKamey Manor. Aus diesem Material macht er Youtube-Videos. Manche haben über zehn Millionen Klicks. Bis 2017 betrieb McKamey die Show in San Diego, Kalifornien, zusammen mit seiner mittlerweile Ex-Freundin Carol Schultz in einem Einfamilienhaus plus Garten. 2018 öffnete McKamey Manor neu in Summertown, Tennessee. An Carol Schultz’ Stelle trat Russ’ neue und mittlerweile auch Ex-Freundin Holly Shillito. Statt in einem Haus findet die „Tour“ nun vor allem auf einem riesigen Hof und in seiner Werkzeughütte statt.

Der Eintritt ist kostenlos, Teilnehmer sollen nur ein bisschen Hundefutter mitbringen. McKamey Manor ist also kein gewerbliches Unternehmen, das gesetzlichen Auflagen unterliegt. Daraus ergibt sich wohl seine Legalität, denn man besucht McKamey Manor nicht als Kunde, sondern als Privatperson. Dadurch ist die Rechtsschutzbelehrung, die alle Manor-Teilnehmer unterschreiben müssen, wie eine Absprache zweier Sexpartner über eine extreme Spielart. Und da die Gesetze in Amerika die sexuellen Wünsche ihrer Bürger respektieren, dürfte hier einiges erlaubt sein, was im gewerblichen Kontext verboten wäre (so reime ich als Laie mir das zusammen).

Die Rechtsschutzbelehrung ist eine 20-seitige Aufzählung furchteinflößender Foltermethoden, von denen die heftigsten sicher nie angewandt wurden (Zähne ziehen, Nägel ziehen, Injektion irgendwelcher Substanzen etc.). Das Dokument soll einfach Angst machen. Zu diesem Zweck müssen die Teilnehmer die Belehrung vor Antritt der Tour laut vorlesen, woraus McKamey oft schon eine mehrstündige Show macht.

Zudem müssen alle Teilnehmer am Ende jeder Tour ein Schluss-Interview geben, in dem sie (meist völlig verstört und mit geschwollenem Gesicht) sagen, dass sie nicht gefoltert oder misshandelt wurden und alles in ihrem Einverständnis geschah. Es gibt valide Vorwürfe, diese Interview-Aussagen seien erpresst. Im Vorfeld findet Russ nämlich alles Mögliche über das Privatleben seiner Teilnehmer heraus (auch intime medizinische Daten), sodass er mit der Veröffentlichung dieser Informationen drohen kann.

Hauptgrund für die Kontroversen um McKamey Manor, also vor allem um dessen Legalität, ist das fehlende Safeword. Angeblich gab es bis 2014 keins. Dann wurde offenbar doch eins eingeführt, aber laut einigen Teilnehmern hat McKamey es gern auch mal ignoriert. Auch hier kennt niemand die Wahrheit. Gut möglich, dass diese Gerüchte falsch sind und von McKamey gefördert werden, um alles noch spukiger scheinen zu lassen. Wie seine Behauptungen über einen Wettring in Las Vegas, der jede Tour über einen Live-Stream verfolgt. Oder über die Warteliste, auf der sich weltweit 20.000 Menschen eingetragen haben sollen. Nichts, was McKamey erzählt, ist irgendwie zuverlässig.

Wie sich McKamey finanziert, ist nicht ganz klar. Laut Carol Schultz bekommt er eine ordentliche Pension von der Navy. Sicher kommt auch ein bisschen was über Fan-Spenden zusammen. Vor ein paar Jahren verdiente er noch Geld als selbstständiger Hochzeitssänger. Die Frage der Finanzierung ist also nicht so mysteriös wie sie in Foren gemacht wird.

© movieposter.ch

McKameys Youtube-Videos würde ich ins Horror-Subgenre des Snuff einordnen. Der Begriff „Snuff“ kommt aus dem Film The Slaughter (1976), auch bekannt unter dem Titel „Big Snuff“. Ein Horrorfilm, dessen Macher es schwer hatten, ihn zu verkaufen, weil er schlicht zu mies war. Deshalb behaupteten sie, hier sei zu sehen, wie eine Frau wirklich getötet und zerstückelt werde. Zudem hatte der Film keine Texteinblendungen, was den Echtheits-Eindruck verstärken sollte. Dieses Marketing brachte den Film groß in die Medien und in mehreren Ländern vor Gericht. Noch heute ranken sich Mythen drum und seitdem steht das Wort „Snuff“ für Aufnahmen von angeblich echter Folter und Morde in kommerziellen Filmen. Tatsächlich sind Snuff-Filme kommerzielle Filme, die nur so tun, als zeigten sie diese Dinge. Dazu zählen auch die italienischen Mondo- und teilweise die Kannibalen-Filme, wobei für diese Filme tatsächlich Tiere gequält wurden. Erwähnenswert sind die Faces of Death-Filme aus den späten Siebzigern bis in die frühen Neunziger, die zumindest in den Neunzigern noch einigermaßen berüchtigt unter Jugendlichen waren. Oder auch Found Footage-Horrorfilme wie August Underground (2001), der Gewalttaten im Home Video-Stil zeigt und dabei weit hinaus geht über das gewohnte Maß an Sadismus in einem Mainstream-Horrorfilm. August Underground arbeitet, wie viele dieser Filme, mit Andeutungen. Er zeigt ein bisschen Gewalt, aber das Schlimmste überlässt er der Fantasie. Im Snuff-Genre geht es darum, den Eindruck möglichst krasser Gewalt zu erzeugen und diesen Gewalteindruck so authentisch wirken zu lassen, dass das Publikum sich fragt: Ist das wirklich nur ein Film? Die Macher von Snuff-Filmen achten deshalb sehr auf den Veröffentlichungs-Kontext, machen ein Geheimnis um ihre Herkunft und die Produktionsbedingungen und verheimlichen möglichst auch die Kommerzialität des Projektes. Zugleich müssen sie ihre Filme klar als künstlerische Werke kennzeichnen, sonst können sie wegen Körperverletzung angezeigt werden. Sie dürfen also nicht einfach DVDs mit authentisch wirkenden Mordszenen auf die Straße legen, da diese kontextlos eine traumatisierende Wirkung haben können. Die Kunst besteht also darin, die Filme gerade noch im Rahmen der Legalität zu veröffentlichen. In diesem Sinne hilft es, Snuff weniger als Filmgenre und mehr als Performance-Kunst zu begreifen.

Das wiederum hilft, McKamey Manor zu begreifen. McKameys Konzept ist, das Publikum im Unklaren zu lassen, ob die auf Youtube geladenen Grausamkeiten echt sind oder inszeniert, ob sie (wie McKamey oft betont) nur ein Bruchtteil dessen sind, was „wirklich“ in McKamey Manor passiert, oder ob es in Wahrheit das Eindrucksvollste ist, was er aus dem Material melken konnte. In den Foren (Youtube-Kommentare, Reddit, Facebook) wird viel diskutiert und auf Youtube gibt es viele „Exposing the Truth“-Videos über McKamey. Manche sagen, das sei alles ein Schwindel, die Foltertouren existierten gar nicht. Manche sagen, McKamey sei ein Irrer, der einen legalen Weg gefunden hat, seine Folterfantasien auszuleben. Manche unterschreiben Petitionen, um McKamey Manor verbieten zu lassen. Manche verteidigen McKamey Manor als legitime Grenzerfahrung. Wer hier richtig liegt und wer falsch, spielt keine Rolle, denn das Konzept geht auf: Die Leute reden drüber, sind fasziniert und verunsichert und vor allem bringen sie sich ein in das Spiel um Fiktion und Wahrheit, das McKamey Aufmerksamkeit verschafft. Mittlerweile ist McKamey amerikanische Folklore.

Die McKamey-Videos sind offensichtlich die Selbstinszenierung eines extremen Narzissten, der möchte, dass Menschen über ihn reden und neugierig auf ihn sind. Die Videos sind teilweise fünf Stunden lang, von denen mindestens vier Stunden Russ allein vor der Kamera zu sehen ist, wie er die „Experience“ erklärt und Erwartungen auf das Videomaterial schürt, das wir immer mal wieder fragmentarisch zu sehen bekommen (unterlegt mit beschissener Musik und schlechten Soundeffekten).

© San Diego Union Tribune

Aber Inszenierung und Performance-Kunst hin oder her, die Reaktionen der Teilnehmer wirken authentisch verstörend. Sie schreien, zittern und starren katanonisch. Ihre Verletzungen sind echt: ausgerissene Augenbrauen, abrasierte Haare, Blutergüsse, Veilchen, zerrissene Lippen, geschwollene Wangen. Russ McKamey wirkt auch tatsächlich wie jemand, der Spaß daran hat, Menschen zu quälen. Via Google Maps kann man das Gelände von McKamey Manor sehen (12 Stephenson Rd, Summertown, TN 38483, USA) und sogar den berüchtigten Rattenkäfig (berüchtigt, weil McKamey ihn ständig erwähnt). Dazu kommt der Kult, der sich in geschlossenen Facebook-Gruppen um McKamey gebildet hat. Und mittlerweile „leaken“ dubiose Youtube-Kanäle Videos, die „ungekürztes“, also unfragmentiertes Material seiner Touren zeigen (und die aus unerfindlichen Gründen eine ziemlich schlechte Bildqualität haben). Und es gibt mittlerweile Interviews mit verschiedenen Menschen, die McKamey persönlich kennen und sich von ihm entfernt haben (seine Tochter, seine Ex-Freundinnen, mehrere Teilnehmer, frühere Mitarbeiter), und sie alle bezeichnen die Zeit mit ihm als traumatisch und ihn selbst als gefährlichen Manipulator. Diese Interviews finden auf unseriös wirkenden Youtube-Kanälen statt, im Rahmen stundenlanger Live-Streams, und werden nicht von professionellen Journalisten geführt, die sich einer Sache ruhig und vernünftig annähern, sondern von ewig schwadronierenden Hobby-Journalisten, die von klar definierten Grundannahmen ausgehen.

Wirklich gute journalistische Auseinandersetzung mit McKamey Manor ist selten. Es gibt zwar einige Artikel, aber die sind oft reißerisch und moralisierend oder stellen das Thema unterkomplex dar.

Für mich ist McKamey Manor eine Art von Performance-Kunst, die durch die Rezeption im Internet eine unvorhersehbare Dynamik erhalten hat. Mich interessiert dabei nicht, ob das Gezeigte echt oder Russ McKamey böse ist. Mich interessiert, was McKamey Manor über die Macht oder die Funktion der Bilder sagt. Ich denke, dass man Filme wie The Slaughter (1976) oder Faces of Death (1978) als Antworten sehen kann auf die immer explizitere Darstellung von echter Gewalt im Fernsehen und vor allem in den Fernseh-Nachrichten. In den Siebzigern war es vor allem Filmmaterial aus dem Vietnamkrieg, das zum ersten Mal Aufnahmen echter Gewalt in die Wohnzimmer der Amerikaner brachte (vielleicht waren das die ersten Snuff-Filme). Ähnlich lassen sich Filme wie August Underground (2001), die Extreme Haunts oder eine Kuriosität wie McKamey Manor als Antworten auf den War on Terror sehen, als Versuch, durch fiktionale Gewalt die durch 9/11 sichtbar gewordenen Komplexitäten der Welt in ein simples Konzept (zum Beispiel Gut/Böse) einzufassen.

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