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Star Trek: The Next Generation

TNG 5.21 – The Perfect Mate

Kamala ist eine Frau, die von Geburt an dazu bestimmt ist, in eine arrangierte Ehe zu treten, die den Frieden zweier Spezies besiegeln soll. Sie gehört außerdem zu einer Spezies, deren weibliche Vertreter ständig extrem viele Pheromone ausschütten und damit alle Männer in ihrer Umgebung anziehen. Die Enterprise transportiert sie zu Alrik, ihrem künftigen Ehemann, aber da ihre verführerische Anwesenheit eine Gefahr für die Crew ist, wird sie isoliert, zuerst auf dem Frachtraum, dann in einem Quartier. Hier gibt es eine Szene zwischen ihr und Commander Riker. Sie verführt ihn zum Kuss, doch Riker kann gerade noch an sich halten und flieht stattdessen aufs Holodeck (das erste Mal, dass die Serie offen ausspricht, dass das Holodeck ein Ort für Sex ist).

Kamala zieht die Aufmerksamkeit einiger Männer auf sich. Im Zehnvorne wird sie von einer Horde bärtiger Arbeiter angegraben, was sie als Kompliment empfindet. Sie ist eine unverhohlene Männerfantasie. Sie hat gütige Gesichtszüge, lächelt ständig und ist für alles aufgeschlossen, was ein Mann zu ihr sagt. Sie hat empathische Kräfte, die ihr dabei helfen, sich den Geschmäckern und Begierden der Männer, die sie trifft, anzupassen. Sie hat auch einen Hauch von Unschuld, da sie mit all dem naiv umgeht wie die junge France Gall.

Besonderes Interesse entwickelt sie für Picard, der es nicht schafft, sich ihren Reizen zu verschließen. Picard spricht mehrmals mit Beverly Crusher über sie. Crusher verurteilt, dass Kamala nicht selbstbestimmt leben darf. Picard vertritt die ethnopluralistische Sicht der Sternenflotte, nach der jede Kultur sich selbst so pflegen sollte, wie sie es für richtig hält, was natürlich die Menschenrechte (oder Spezienrechte) abschafft und letztlich zu der Apardheid führt, wie sie im Star Trek-Universum gepflegt wird. Enthnopluralismus ist übrigens auch der Begriff, mit dem die NPD und die Neue Rechte ihre Haltung beschreibt.

The Perfect Mate ist die wohl ambivalenteste Folge bisher, denn einerseits ist die Darstellung Kamalas frauenfeindlich, andererseits eine Aneinanderreihung kammerspielartiger Zweier-Dialog-Szenen, in denen alle Schauspieler wie unter einem Bann stehen und eine hypnotische Stimmung entfachen.

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Star Trek: The Next Generation

TNG 5.17 – The Outcast

Geordi La Forge trägt in dieser Folge einen Bart. In einem der Outtakes auf der Bluray sagt er, dass die Produzenten das einfach mal ausprobieren wollten. Gefiel den Produzenten nicht und so musste er dann gleich wieder ab. Entscheidend ist aber, dass sich Riker in dieser Folge verliebt, und zwar in Soren, einer J’naii, einer Spezies ohne Geschlecht. Riker und Soren führen anfangs einige gendertheoretische Gespräche auf niedrigem Niveau. Zum Beispiel weiß Riker nicht, wie er Soren ansprechen soll, als Sie oder als Es. Da musste ich an Richard Stallman denken, der die genderneutralen Pronomen person und perse vorschlägt. Jedenfalls stellt sich heraus, dass Soren eine der wenigen J’naii ist, die mit einem Geschlecht geboren wurde (sie identifiziert sich als weiblich), was bei den J’naii aber als krank gilt. So müssen Riker und Soren ihre Liebe geheim halten, was Romantik verspricht. Die Dramaturgie findet am Ende zu einer konservativen Geschlechterpolitik, indem sie Soren zur Jungfrau in Not macht. Erwähnenswert ist, dass das erste I Love You in TNG ausgerechnet von Riker kommt.

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Essay Star Trek: The Next Generation

TNG 4.10 – The Loss

Counselor Trois „Weiblichkeit“ (Offenheit, Wärme etc.) erinnert mich an die Theorien von Carol J. Clover aus dem Buch Men, Women, and Chainsaws: Gender in the Modern Horror Film (1992). Clover schreibt, dass Frauen in Okkult-Horrorfilmen die Funktion eines Portals haben, für jenseitige Wesen, die vaginal oder oral in Frauen eindringen. Clover nennt viele Beispiele: In Don’t Look Now (1973) kann die Séance erst weiter gehen, sobald Laura ihre Beine öffnet, statt sie zu überkreuzen. In Nightmare on Elm Street (1984), wenn Nancy in der Badewanne döst, film die Kamera ihr Gesicht durch ihre geöffneten Schenkel hindurch, die aus dieser Sicht wie die Flügeltüren eines Portals aussehen, vor dem nun Freddys Hand aus dem Wasser taucht. In Christine (1983) ist das Auto weiblich definiert und die Hauptfigur Arnie Cunningham wird anfangs mit „weiblichen“ Persönlichkeitsmerkmalen verknüpft (in der Schule nennt man ihn „Cuntingham“), was seine Besessenheit von Christine, die ihn zum „Mann“ macht, erst ermöglicht. In Carrie (1976) erscheinen mit Carries erster Regel auch ihre telekinetischen Kräfte, die Menstruation öffnet sie für das Übernatürliche. „Weiblichkeit“ also als Medium für den Teufel, Schrecken in die Welt zu tragen. Troi passt gut zu Clovers Analyse, denn als Betazoidin ist sie zwangsoffen für alle möglichen „Spirits“ (siehe The Child, Clues, Night Terrors).

TNG zieht zwischen Troi und den anderen Figuren eine klare Linie. Sobald es um Gefühle geht, muss Troi ran, als sei nur sie mit ihren empathischen Sonderkräften fähig, die Gefühle anderer nachzuvollziehen. Clover schreibt, dass Spritualismus in Horrorfilmen immer Domäne der Frauen ist, nie der Männer, siehe auch The Omen (1976), The Entity (1982) Poltergeist (1982), Witchcraft (1988) oder Heredity (2017). Offenheit für das Übernatürliche ist hier eine ausschließlich weibliche Eigenschaft. Zu The Exorcist (1973) schreibt Clover, der Film erinnere uns daran, „dass römisch-katholische Priester und Frauen im Horrorfilm effektiv ein und dasselbe sind“.

Trois empathische Kräfte sind angeboren, nicht angelernt. Was dem Klischee des angeborenen Sondertalents einer Frau entspricht, das ihren Lebensweg von Geburt an vorbestimmt. Mulan im neuen Mulan (2020) ist Martial Arts-begabt, also muss sie Kriegerin werden. Lady Gaga in A Star Is Born (2018) kann einfach so perfekt singen, also muss sie Popstar werden (Bradley Cooper zwingt sie dazu). Ray in Star Wars 7-9 (2015-2019) hat die Macht, also muss sie Jedi werden. Und Troi hat empathische Kräfte, also muss sie Therapeutin werden. Dabei könnte sie Chef-Ingenieurin sein wie La Forge, oder taktische Offizierin wie Worf, oder Captain wie Picard. Aber ihr Weg ist vorbestimmt durch ihr angeborenes Talent.

In The Loss verliert Troi ihre empathischen Kräfte und will aus der Sternenflotte austreten. Doch das ist ihr verboten. Picard befiehlt ihr, stattdessen das Problem der Woche zu lösen: eine zweidimensionale Lebensform, die die Enterprise auf einen „kosmischen String“ zutreibt, einem riesigen Schlitz mitten im All (die Symbolik ist klar), der die Enterprise beim Eintritt zerstören wird. Alle technischen Möglichkeiten haben versagt. Die letzte Hoffnung lastet auf Troi, die nun, gegen ihren Willen, einen Weg sucht (und findet), das Verhalten der 2D-Wesen zu manipulieren. Mit der Rettung der Enterprise kehren Trois Kräfte wieder zurück. Daraufhin gibt’s drei beklemmend nahe Closeups des eklig grinsenden Riker, des starrenden Picard und der strahlenden Troi.