
Zwei Freundinnen, Beth (Caitlin FitzGerald) und Anna (Mackenzie Davis), beide Schauspielerinnen, beide bald dreißig, fahren übers Wochenende in ein Waldhaus außerhalb von Los Angeles, um ihre Freundschaft zu beleben. Auf der Hinfahrt sprechen sie über Alltags-Themen, erzählen sich Anekdoten und reden über die Männerdominiertheit ihrer Branche. Schon ein Stopp in einem Restaurant enthüllt ihren Konflikt. Hier fragt die Kellnerin Beth nach einem Autogramm. Beth ist nämlich erfolgreicher als Anna und kann von ihrer Schauspielerei leben. Sie spielt in einer Bierwerbung mit, ist in einem Branchen-Magazin abgebildet und wurde kürzlich für die Hauptrolle in einem Horrorfilm gecastet. Sie gibt sich bescheiden und der Kellnerin das Autogramm. Doch dann weist Beth die Kellnerin darauf hin, dass auch Anna Schauspielerin ist und zwingt damit Anna, gegenüber der Kellnerin ihre Erfolglosigkeit auszusprechen. Solche Angriffe, für Außenstehende unsichtbar und für die Opfer nicht klar als Angriffe erkennbar (war ja vielleicht nicht böse gemeint), prägen die erste Hälfte des Films. Blitzhafte Einschübe kurzer Szenen (untermalt mit Gruselmusik und rückswärts sprechenden Stimmen) erinnern immer wieder daran, dass die Freundinnen Konkurrentinnen sind. Sie konkurrieren um Rollen in Werbungen und schlechten Horrorfilmen, um Männer, um Agenten, um Model-Jobs und um das Wichtigste: Schönheit.
Regisseurin Sophia Takal (als Schauspielerin vor allem bekannt für ihre Rollen in Joe Swanbergs The Zone und All The Lights In The Sky, 2019 Regisseurin des zweiten Remakes von Black Christmas) hat mit Caitlin FitzGerald und Mackenzie Davis zwei Frauen gecastet, die sich stark ähneln. Sie haben schmale Münder, Nasen und Wangen, die genau gleichen Haut- und Haarfarben und (wie Sex- und Duschszenen betonen) die gleichen Körpermaße. Diese Ähnlichkeit schafft Paranoia, denn Ähnlichkeit im Showgeschäft heißt Austauschbarkeit. Beths und Annas Blicke während ihrer Gespräche prüfen und werten gegenseitig ihre sich ständig ändernden Looks. Mit jedem neuen Outfit, jedem neuem Zopf, jeder neuen Haarspange verleitet der Film (zumindest mich) dazu, die Schönheit der beiden Frauen neu zu vergleichen. Es entsteht eine Atmosphäre aus Misstrauen, Eifersucht und gegenseitiger Sabotage. Die vielen Closeups in der ersten Filmhälfte fangen ihre Blicke und Gesten filigran ein und betonen, wie nah sich die Beiden durch ihre Konkurrenz, durch ihre Feindschaft sind. Der Horror ist, dass Beth und Anna eigentlich wirklich wieder kameradschaftlich und liebevoll miteinander sein wollen.

Beth genießt es, Anna neidisch, eifersüchtig und depressiv zu machen. Sie deponiert eine Zeitschrift für Anna, in der Beth als vielversprechendes Hollywood-Gesicht abgebildet ist. Sie setzt sich mit einem Drehbuch, dessen Hauptrolle sie spielt, zu Anna auf den Balkon. Sie flirtet mit einem Mann, an dem Anna interessiert ist. Alles unterschwellig. Nachts hört Beth Anna in ihrem Zimmer weinen. Sie stellt sich vor Annas Tür, hebt die Hand zum Klopfen, doch geht wieder schlafen. Beth nutzt Annas Leid, um sich besser zu fühlen. Sie nutzt Anna als Spiegel, in dem sie sieht, wie sie geworden wäre, hätte sie wie Anna die „richtigen“ Entscheidungen getroffen: todunglücklich.
Anna gibt sich nämlich nicht für Nacktrollen her, sie sagt, was sie denkt, sie lässt sich nicht korrumpieren oder unterdrücken (der Film suggeriert, dass sie deshalb keinen Erfolg hat). Daraus zieht Anna einen gewissen Stolz, aber zugleich ist sie neidisch auf Beths erste Hauptrolle (die viel Nacktheit verlangt). Sie bewundert und verachtet Beth für ihre Fähigkeit, eine passive Empfängerin zu sein, eine weiße Wand, auf die Männer all ihre Fantasien projizieren können. In der zweiten Hälfte des Films versucht Anna genau das. Sie legt sich Beths devoten Habitus zu, der keine Ansprüche stellt, keine „Probleme“ macht, und schwupps laufen die Dinge besser für sie. Ein netter Mann spricht sie an, sie verliebt sich ein bisschen, er stellt sie direkt seinem Kreis vor. Dieser Mann hat am Abend zuvor Beth kennen gelernt. Nun hat er Anna kennen gelernt und nach einer Weile stellt sich heraus, dass er Beth und Anna für dieselbe Frau hält. Beth und Anna sind vor allem eins: blond.
Always Shine zeigt, wie das Showgeschäft Frauen in den Wahnsinn treibt und weibliche Kameradschaft verhindert. Der Film zeigt auch, dass so genannte „starke Frauen“ (wie Anna) nicht freier sind als so genannte „schwache Frauen“ (wie Beth). Diese Binarität um starke und schwache Frauen wurde in den letzten Jahren von Marketingkamagnen angeblich feministischer Oscarfilme gefördert (zum Beispiel Battle of the Sexes und Bombshell). Filme, die „Frauen eine Stimme geben“, aber nur erfolgreichen Frauen, nur „intelligenten“ Frauen, die „wissen, was sie wollen“, schlagfertig, sympathisch, humorvoll und egalitär eingestellt. Dieses Frauenbild schmückt sich feministisch, aber es verbietet Frauen, durchschnittlich, dumm, ziellos, humorlos, unsympathisch und was sonst noch zu sein. Es zwingt sie zur Perfektion und in die Konkurrenz mit anderen Frauen. Filme wie Always Shine, Showgirls oder Mulholland Drive stellen diese Unterdrückung präzise dar. Caitlin FitzGerald und Mackenzie Davis geben verwirrend mehrbödige Performances.