Dieser Dokumentarfilm von Harun Farocki zeigt verschiedene Meetings im Architekturbüro Sauerbruch Hutton in Berlin. Der Film erklärt nicht, wer die Angestellten und wer die Chefs sind und regt so zur genauen Beobachtung an, zum Blick auf Gesten und Mimiken, zum Hören von Wortwahl und Stimmlagen.
Die Chefs (Matthias Sauerbruch und Linda Hutton) erkennt man an ihrer Körpersprache: versteinerte Gesichter, souverän übereinandergeschlagene Beine, der Knöchel des Zeigefingers an der Oberlippe. So umspült von geheimnisvollen Gedanken lauschen die Chefs den Präsentationen ihrer Angestellten. Mal geht es um einen Stuhl, mal um Gebäudeplanung, mal um Fensterklinken. Und wenn die Präsentation durch ist, folgt ein geheimnisvolles Urteil. Besonderes Highlight ist, wenn Herr Sauerbruch sich nach der Präsentation einer Gebäudeplanung total lässig auf den Boden setzt und ein paar Krakel auf einen Zettel malt, um zu zeigen, wie er sich das vorstellt. Man darf staunen.

Die Angestellten erkennt man daran, dass sie während ihrer Audienz bei den Chefs viel reden und herum laufen und irgendwie besorgt aussehen. Während die Chefs mit langen Kunstpausen Suspense erzeugen, müssen die Angestellten liefern. Der Umgang ist freundlich und die Hierarchien flach. Man dutzt sich und spricht gern Englisch.
In einer Szene schlägt eine Angestellte vor, einen Stuhl, an dem sie schon eine Weile arbeitet, doch nicht aus einem einzigen Holz zu fertigen, wie ursprünglich geplant. Das wirke zu gewollt wie ein Studentenprojekt. Darauf antwortet der Chef, er fände es „echt schade“, von der ursprünglichen Idee abzuweichen, und sie habe Recht: der von ihr entworfene Stuhl sehe momentan wirklich aus wie ein Studentenprojekt. Sie solle aber weiter an dem bestehenden Design-Ansatz festhalten. Konkrete Vorschläge macht er nicht, vermutlich will er ihr „kreativen Freiraum“ lassen.

Als er sagt, der Stuhl sehe tatsächlich aus wie ein Studentenprojekt, presst die Angestellte für ein paar Sekunden die Lippen zusammen, als falle ihr das Herunterschlucken gerade nicht leicht. Wer freut sich nicht über ein solches rhetorisches Geschenk vom Arbeitgeber? Auch nach der Arbeit kann man noch davon zehren, zum Beispiel wenn es einen stundenlang in den Schlaf begleitet.
Im Buch Bullshit-Jobs (2018) vergleicht David Graeber solche Chef-Mitarbeiter-Dynamiken mit Sadomaso-Praktiken. Das Schöne am Arbeitsplatz ist aber, so Graeber, dass es am Arbeitsplatz kein Safeword gibt, mit dem die erniedrigte Person die täglichen Erniedrigungen beenden kann. Das macht Arbeit heute überhaupt erst aufregend. Zumal die Erniedrigungen passiv und kaum sichtbar sind. Es ist diese leichte Verunsicherung, die den Arbeitsalltag (und oft auch den Feierabend) wirklich bereichert. Wer dafür Geschmack hat, wird vielleicht auch irgendwann ein freundlicher Chef, dessen Anerkennung den Angestellten wichtig ist.