Ein Mörder kommt aus dem Gefängnis frei und will sofort wieder morden. In einer Sequenz, die in einem Imbiss spielt, drücken Kamera und Schnitt seinen Morddrang aus. Wir sehen Nahaufnahmen weiblicher Körperteile und hören Schmatz-Geräusche des gerade wurstessenden Mörders. Für ihn sind die beiden Frauen eine Ansammlung von Körperteilen, wie Nutztiere, reduziert auf ihre Schmackhaftigkeit. Und wie Tiere geben diese Frauen nur Laute von sich (ihre Unterhaltungen sind gedämpft und unverständlich wiedergegeben).




Das Besondere an Angst ist seine Ablehnung von psychologischen, soziologischen oder sonstwie gearteten Erklärungen. Dass der Mörder mordet, ist einfach gegeben. Das Morden und die Gewalt sind hier weder ein in Charakterlogik begründeter Drang, noch sind sie Folge von äußeren Zwängen. Stattdessen zeigt der Film das Morden in einem Modus der Zweckrationalität. Lange Sequenzen zeigen es als langwierigen Prozess voller praktischer Schwierigkeiten. Die Opfer wehren sich mit aller Kraft. Dabei zersplittern Scheiben, Möbel und Gegenstände fliegen durcheinander, es kommt zu einer Überschwemmung. Zum Schluss ist das abgelegene Waldhaus, in dem der Mörder drei Menschen tötet, komplett verwüstet. Die Spuren sind im Gegensatz zu Psycho (1960) nicht mehr wegzuwischen. Dieser Umgang mit Gewalt verschließt sich dem, was wir von Filmgewalt gewohnt sind. Die Gewalt ist weder eingewoben in folkloristische Mythologien (wie im Slasher), noch in Spannungs-Mechanismen (wie in hitchcockianischen Thrillern). Sie ist einfach nur da und erzeugt gelähmtes Starren. Weiter oben habe ich geschrieben, der Film würde Erklärungen ablehnen. Allerdings psychologisiert der Mörder in Voice-Over-Monologen selbst seine Taten. Seine Stimme klingt, als gefalle ihm, dass wir ihm zuhören. Der Film spielt diese Monologe auch dann ein, wenn gerade Szenen grausamer Gewalt zu sehen sind. Dass der Mörder von seiner schlimmen Kindheit erzählt, erzeugt keine Klarheit, sondern fügt der verstörenden Wirkung der Bilder einen höhnischen Kontrast hinzu.



Es wäre leicht, den Film als Gegenentwurf zum Slasherfilm zu sehen, oder zu True Crime. Aber ihn auf eine medienkritische Haltung zu reduzieren (wie Haneke sie behauptet zu vertreten), greift zu kurz. Der Film stellt die Banalität von Gewalt dar. Dabei unterscheidet sich Angst zu Filmen wie beispielsweise Idi i smotri (Komm und Sieh, 1980) darin, dass er sich nie künstlerisch über die Gewalt stellt. Er inszeniert sie nicht virtuos und er lässt auch nicht irgendwann mal Mozart laufen, damit sich das Publikum doch noch ein wenig kultiviert fühlen kann. Zudem sind alle Figuren auf bürgerliche Rollen reduziert. Die beiden Frauen vom Anfang im Imbiss sitzen am nächsten Tag immer noch mit den gleichen Klamotten am selben Platz, wie auch der ältere Herr, der hier scheinbar rund um die Uhr Zeitung liest. Alle Figuren, die in diesem Film auftauchen, wirken kalt und starr wie Leichen. Es ist ein Blick auf Gesellschaft als toter Ort. Eine wichtige Rolle spielt der Dackel, der in dem abgelegenen Waldhaus wohnt. Haustiere (vor allem Hunde) sind etwas, was der unterdrückte Mensch selbst unterdrücken kann. Als Pointe zeigt der Film, dass die Unterdrückung des Hundes nur eine Illusion ist, denn seine Herrchen sind ihm egal, er will nur gefüttert werden. Zum Schluss hüpft der Dackel zu dem, der gerade sein Herrchen getötet hat, ins Auto.