Picard lebt ein zweites Leben. Auf der Enterprise fällt er in Ohnmacht und wird von seiner Frau geweckt, auf einem anderen Planeten, weit weg, hat einen anderen Namen. Die ersten Jahre versucht er noch, auf die Enterprise zurück zu kommen, irgendwie Kontakt mit der Sternenflotte aufzunehmen, doch irgendwann gibt er nach und lässt sich auf das Leben in der kleinen Stadt mit seiner Ehefrau ein (die einzig für ihn zu leben scheint, was ja auch stimmt, wie sich am Ende heraus stellt), bekommt Kinder, irgendwann Enkelkinder und wird ein respektiertes Mitglied seiner Gemeinde. Während er hier Jahrzehnte erlebt, vergehen auf der Enterprise 25 Minuten.
The Inner Light beschwört drei Fantasien: Erstens die Fantasie eines Parallel-Lebens. Dieser Tagtraum, in dem wir einen anderen Beruf haben, einen völlig anderen Lebensentwurf. Zweitens: die Fantasie dessen, was man ein bescheidenes Leben nennt, gemächlich und ereignislos, mit einer gewissen Naturverbundenheit und einer idyllischen Gemeinschaft, in der alle sich kennen und einander respektieren und helfen. Eine konservative Fantasie um so genannte Werte, zum Beispiel Familienwerte. Wir sehen Picards zweites Leben in Bruchstücken, die an nostalgische Fotoalben erinnern, die nur die schönen Seiten des Lebens zeigen. Drittens beschwört die Folge nämlich Picards Image als großartigsten Menschen aller Zeiten. Wir sehen ihn als perfekten Ehemann (seine Frau wird nie müde zu betonen, wie unglaublich toll sie ihn findet), als perfekten Vater, als perfektes Gemeinde-Mitglied, als perfekten Flötisten, als naturlieben Forscher. Er hat null negative Eigenschaften. An dieser Stelle muss man auch über seine Glatze sprechen, die das einfallende Licht fast wie ein Spiegel reflektiert und zu Überbelichtung führt.
Null negative Eigenschaften hat auch das längst ausgestorbene Volk, zu dessen Zeuge es Picard in dieser Folge macht (mit Hilfe einer Science-Fiction-Methode). Es ist also gut möglich, dass diese Gesellschaft sich selbst ein bisschen idyllischer zeichnet, als sie tatsächlich war. Wir sehen hier (wahrscheinlich unfreillig) einen unzuverlässigen Erzähler. All die Superlativen um diese Folge sind berechtigt. Sie zählt, wie Q Who oder The Offspring, zum Besten, was Serien zu bieten haben und ist wahrscheinlich auch für Menschen interessant, die Star Trek nicht kennen oder mögen.