Q Who ist meine Lieblingsfolge aus The Next Generation. Ich sah sie über die Jahre immer wieder. Auch dieses Mal war ich begeistert. Mit einem Fingerschnipsen schleudert Q die Enterprise in den weit entfernten Delta-Quadranten, um Picard und seine Crew mit den Borg bekannt zu machen.
Die Borg wirken unheimlich mit ihren würfelförmigen Raumschiffen, die nicht mal eine Brücke haben. Im Gegensatz zu uns leben sie nicht in (einer Illusion von) Freiheit. Sie haben keine Bedürfnisse. Sie haben nur ein Ziel: sich im Universum ausbreiten. Sie sind unaufhaltsam. Durch ihre Unaufhaltsamkeit verführen die Borg zu dem verbotenen Gedanken, sich ihnen hinzugeben und sich von ihnen befreien zu lassen von der Last der menschlichen Bedürfnisse rund um Konsum, Soziales, Sinnsuche und so weiter. Es ist wie bei den ebenso unaufhaltsamen Aliens in Invasion of the Body Snatchers (1977). Irgendwann kann man nicht mehr wegrennen und vielleicht ist es gar nicht so schlecht, bodygesnatcht oder Borg zu sein. Die Borg sind eine Demonstration des Unaufhaltsamkeits-Narrativs, das alle möglichen Technologien begleitet. Viele Technologien sind schlecht für uns, zum Beispiel Smartphones und Neurotechnologie. Doch das Narrativ ihrer Unaufhaltsamkeit sorgt dafür, dass wir uns ihnen unterwerfen. Am Ende von Q Who gibt sich die Enterprise-Crew geschlagen, und zwar auf doppelte Art: Erstens gegen die Borg, zweitens gegen Q, den Picard anflehen muss, damit er die Enterprise wieder zurück in den Alpha-Quadranten schnipst.
In den ersten Sekunden der Folge bittet Fähnrich Sonya Gomez den Replikator freundlich nach einer heißen Schokolode. Da stolziert Geordi herbei, überheblich lachend, und erklärt: „We don’t ordinarily say ‘please’ to food dispensers around here.“ Während Geordi diesen Satz sagt, verschwindet sein Lächeln und bei „around here“ hat sich seine Flache-Hierarchie-Lockerheit in eine drohende Forderung verwandelt. Die Serie hat diesen Moment natürlich nicht so gemeint, Geordis Einwurf soll locker wirken und die Cutter schneiden hier auch schnellstmöglich von LeVar Burton weg, damit wir sein gruseliges Schauspiel nicht bemerken. Aber dieser kurze Moment (man kann ihn durch ein Blinzeln verpassen) ist dennoch da und er ist entlarvend. Ich habe viele „antiautoritäre“ Führungskräfte wie Geordi kennen gelernt. Sie machen es genau so. Sie machen einem lockeren Spruch, der das in ihren Augen fehlerhafte Verhalten der ihnen untergebenen Arbeiter scherzhaft kommentiert. Wer daraufhin sein Verhalten nicht korrigiert, sieht ein sterbendes Lächeln auf den Mündern dieser Führungskräfte, denn sie meinen es wirklich todernst. Mit ihrem Humor (oder was sie darunter verstehen) schützen sie sich vor einer Realisierung: Die Regeln des Jobs, um deren Einhaltung sie sich zu kümmern haben, nehmen ihre Persönlichkeiten dermaßen ein, dass man es Persönlichkeitsauflösung nennen kann, eine Assimilation ihrer Persönlichkeiten durch den Job. Fähnrich Gomez’ freundliche Art, den Computer nach einer heißen Schokolade zu bitten anstatt sie zu ordern, verletzt Geordi tief. Es muss lange her sein, dass mal jemand so freundlich zu Geordi war wie Gomez zu diesem Computer. Er ist Mittelstück einer Befehlskette. Er sagt „Ja, Sir“ nach oben und hört „Ja, Sir“ von unten. Gomez’ „please“ hat einen Schmerz in ihm geweckt, den er sofort betäubt, indem er sie zur Rede stellt.
Gomez selbst ist neu. Sie ist aufgeregt, auf dem Flaggschiff der Sternenflotte dienen zu dürfen, vor allem unter Captain Picard. Als sie sich umdreht, um wieder an die Arbeit zu gehen, stößt sie mit Picard zusammen und schüttet die heiße Schokolade über seine (und ihre) Uniform. Auch das ist ein herausragender Moment, denn es ist leicht verstörend, eine Sternenflottenuniform besudelt zu sehen. Der Heiße Schokolade-Fleck schmälert Picards Autorität, er wirkt damit sofort etwas lächerlich. Gomez entschuldigt sich und reibt nervös mit den Händen an Picards Uniform herum, als ginge der Fleck dadurch weg. Picard greift ihre Hand und sagt, sie solle wieder an die Arbeit gehen, er würde einfach seine Uniform wechseln. Es ist die Uniform, die Picard Autorität gibt, nicht er selbst.
Dass Picard ihre Hände berührt, macht Gomez noch nervöser. Regisseur Rob Bowman betont Gomez’ Ehrfucht vor Picard, indem er Picards Hände riesig im Vordergrund filmt, Gomez Gesicht dahinter. Rob Bowman ist einer der wenigen Fernsehregisseure, die sich Mühe und Gedanken machen, Figurendynamiken auf diese stumme Art zu erzählen, anstatt einfach ihre Dialoge abzucovern. Auch deshalb ist Q Who eine brillante Folge, sie ist auch stumm spannend. Wer sich aus irgendeinem Grund für die Geschichte der Fernsehunterhaltung interessiert, muss diese Folge (auch unabhängig von Star Trek) gesehen haben. Ich kann so viel über Q Who sagen, dass ich vielleicht immer mal wieder auf diese Folge zurück kommen werde, wenn andere Folgen zu uninteressant werden.